Digital Lifestyle Future Tourism Konsum-Trends

Tourismus 3.0: Digitale Kommunikation, analoge Sehnsüchte

Während andere Branchen (etwa Einzelhandel, Banken etc.) durch das Web bereits erheblich durcheinander gewirbelt wurden und – dort wo der Kundennutzen fehlt – noch weiter substituiert werden, hat der Tourismus einen gewaltigen Vorteil: seine Dienstleistung (das Erzeugen von Glücksgefühlen) ist und bleibt analog. Die Kommunikation allerdings erfolgt digital – und mobil.

Die mobile Interaktion mit dem Gast – 78% der Österreicher besitzen heute bereits ein Smartphone, 8% von diesen nehmen das Handy nachts mit ins Bett (der Lover kommt und geht, das Handy bleibt) – erfolgt vor dem Hintergrund der Interkonnektivität – alles ist mit allem und jedem vernetzt, eine Umwälzung vergleichbar der Industrialisierung im 19. Jahrhundert.

Die Welt wird immer intelligenter (vom Haus über das Auto bis zur City wird Intelligenz in Form von Sensoren und Chips integriert, selbst der Koffer ist ja heute schon intelligent und kann selbständig anreisen wie bei der kürzlich vorgestellten Bag2Go – ohne den Besitzer, der sein Gepäck via App freilich jederzeit tracken darf). Hotels – und Destinationen – werden in einer smarten Welt zu einem begehbaren Display, Services werden mit einem Fingerdruck on demand und jederzeit bereitgestellt.

Die Digital Natives treiben die Verschmelzung von On- und Offline-Welt in Richtung Augmented Reality weiter voran. Ein Adrenalin-Ride auf dem Downhill-Trail oder dem Flying Fox, das muss natürlich in Echtzeit über die GoPro-Kamera aufgezeichnet und der interessierten Umwelt auf Youtube oder via WhatsApp kommuniziert werden.

hosentaschenrangerIT-Intelligenz und Tourismus gehen seit langem eine meist fruchtbare Allianz ein, schließlich wissen die Touristiker genau, dass sie die Dienstleistungskette auch digital optimieren müssen. Insbesondere mobile Applikationen wie der originelle und praktische Hosentaschen-Ranger für Wanderer erhöhen die Aufenthaltsqualität des Gastes. Destinationen und Hotels sind Marken-Bühnen in 3D, daher müssen Emotionen und Geschichten die Marken-Energie u.a. auch über die sozialen Medien versprühen (nicht zufällig hat ja in den Alpen schon bald jede Familienabfahrt flächendeckend WLAN installiert).

Die touristische Mobilitätskette – von der Information über Buchung und Aufenthalt bis hin zur After Sales-Betreuung – erfolgt im besten Fall aus einer Hand, ein Leistungsbündel aus einem Guss, jedenfalls in einer gut orchestrierten Destination. Nun bestehen aber Märkte „aus Menschen, nicht aus demographischen Segmenten“ (Cluetrain Manifesto)… und darin liegt die eigentliche Chance der digitalen Vernetzung: Interaktion mit dem Kunden, Aufbau und Pflege einer Werte-Community. Die Leitwährung dieser Communities ist Reputation – und diese entsteht vor allem über Empfehlung: 92% der Konsumenten weltweit vertrauen Earned Media (Mund-zu-Mund-Empfehlung von Freunden/Familie) mehr als jeder anderen Form der Werbung (Quelle: Nielsen). Kein Wunder, dass die Bewertungen auch im Tourismus eine entscheidende Rolle im Buchungs- und Kaufverhalten spielen (die Fakes bei Hotel-Bewertungen werden, je nach Untersuchungen, auf maximal ein Drittel (18-35%: Quelle Stiftung Warentest) eingeschätzt.

Die Grenzen zwischen Unternehmen und Konsumenten schwinden, das Netz wird immer kollaborativer, die Rolle des Kunden vielfältiger. In der ersten Welle der sozialen Netze war der Kunde noch ein Multiplikator, der aber nun immer stärker zum Akteur wird. Der Einfluss der sozialen Netzwerke auf den gesamten Reise-Zyklus ist evident:

  • 42% aller auf Facebook geteilten Inhalte haben mit Reisen zu tun
  • 84% der Nutzer werden durch die Reise-Inhalte von Freunden und Familie inspiriert (Quelle: Facebook Travel: Near and Now).

Auch wenn sich die Lebenskurve von Facebook bei den jungen Nutzern klar abschwächt und die sozialen Netze über kreativere Formate wie Vine (6 Sekunden-Filmchen) etc. auf die nächste Ebene gehoben werden, die Grundmuster der digitalen Kommunikation drehen sich  auch künftig um die Achse des Guten: Interaktivität – Community – Ubiquität.

wien2020_screenshot1_

Doch es wird nicht nur Aufmerksamkeit geteilt, der Kunde wird nun auch partizipativer in die Produkt-Gestaltung mit integriert. Nachdem Open Innovation in der Wirtschaft generell schon länger praktiziert wird und Unternehmen von Starbucks bis BMW via Crowd Sourcing die Kreativität ihrer Kunden anzapfen und für die Produkt-Entwicklung nutzen, beginnt dieser Trend langsam auch im Tourismus zu greifen. Wien Tourismus ist hier mit seiner Initiative Wien 2020 ein Vorreiter – die Ideen von rund 650.000 Usern über die attraktive Stadt der Zukunft sollen in den sozialen Netzen gesammelt und – gefiltert – in die neue Tourismus-Strategie mit einfließen.

Die digitale Kommunikation mit dem Kunden – und das verschränkt über die unterschiedlichen Kanäle – ist eine Grundvoraussetzung für den touristischen Erfolg. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Bei aller technologischen Entwicklung darf eines nicht vergessen werden: das Produkt selbst ist und bleibt analog. Erst wenn die Aufenthaltsqualität und die Customer’s Journey optimiert sind, beginnt die eigentliche Leistung der Touristiker – die Sehnsüchte der Gäste zu erfüllen und Glücksmomente zu erzeugen.

20140319_115750Andreas Reiter sprach kürzlich in seiner Key Note auf dem Kärntner Tourismustag über touristische Erfolgsstrategien in der mobilen digitalen Welt.

http://www.kleinezeitung.at/kaernten/klagenfurt/klagenfurt/3578980/touristiker-dealen-dem-glueck.story

Tipp: Hosentaschen-Ranger App http://www.youtube.com/watch?v=rXAbH3Bj4i4

2 Kommentare zu “Tourismus 3.0: Digitale Kommunikation, analoge Sehnsüchte

  1. Spannender Artikel! Eine Frage bzw. Anregung: Das Erlebnis bleibt in seinen Grundzügen sicher analog, aber wird nicht das „Drumherum“ und auch z.T. die Erstellung des Produkts immer stärker von digitalen Prozessen geprägt? Je mehr das „Internet der Dinge“ Einzug hält oder hinter den Kulissen mit technologischen Lösungen gearbeitet wird, wird doch auch das Produkt digital bzw. es wird mit Hilfe digitaler Tools erstellt / verbessert / beschleunigt.

    • Andreas Reiter

      Insofern haben Sie sicher recht, liebe Frau Regele, dass auch im Umfeld der Produkt-Entwicklung etc. oder im Hintergrund meist auch digitale Tools wirksam sind. Dennoch meine ich: das Produkt in seinem Kern ist analog – und das ist die große Chance für Touristiker und macht sie unersetzbar (was man vom Einzelhandel nur bedingt sagen kann).

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..