Die Welt ist fragil geworden und der Wohlstand prekär, Krisendynamik und Belastungen nehmen zu. Zerbrechliche Zeiten, erschöpfte Gesellschaft. Soziologen sprechen gerne von „Veränderungs-Erschöpfung“, dramatische Zahlen bestätigen diese: jede:r Dritte in Deutschland leidet derzeit unter einer mentalen Erkrankung (AXA, „Mental Health Report“ 2023); in Österreich bezeichnen 15% der Generation Z ihren psychischen Gesundheitszustand als (sehr) schlecht (Austrian Health Report 2023).

Kein Wunder, dass in der brüchigen Moderne die eigene Resilienz mehr denn je in den Fokus rückt. Eine zentrale Voraussetzung dafür ist Gesundheit, verstanden als „persönliches Wohlgefühl“, sie gilt heute, laut Umfragen, als das wichtigste Lebensziel der Menschen. Ob Körper-Hacks oder Business Yoga, ob Pilates oder Meditation, ob Winterbaden oder progressive Muskelentspannung – diese u.a. Bewältigungs-Strategien treiben nicht nur die Clicks auf Social Media, sie verbessern ganz offensichtlich die Lebensqualität vieler Menschen. „Derjenige, der vom Training zurückkommt, ist nicht derselbe, der losgefahren ist“ (Peter Sloterdijk).

Je mehr Bälle wir gleichzeitig in der Luft halten müssen, desto wichtiger wird es, die einzelnen Bereiche auszutarieren, unser Leben in Balance zu bringen und jene Ressourcen zu aktivieren, die die eigene Resilienz stärken. Dabei entsteht Selbstwirksamkeit – das kostbare und bestärkende Gefühl, sein Leben selbst aktiv steuern und in die gewünschte Richtung lenken zu können.
In einem transformativen Umfeld ändert sich jedoch unser Verständnis vom guten und gesunden Leben. Bis vor kurzem noch hieß das kollektive Leitmotiv Selbstoptimierung – es ging darum, durch alle möglichen Anstrengungen die stets bessere Variante seiner selbst zu werden; auch mit Unterstützung von Apps und anderen smarten Buddies, mit Performance-Tracking und Verzicht. Selbstoptimierung greift die kapitalistische Logik auf – das Steigerungs- und Leistungsprinzip wird aus der Marktwirtschaft direkt ins Privatleben übertragen. Eine effizienzgetriebene Mechanik, die zu kurz greift.
Einerseits überfordert der hohe Optimierungs-Anspruch sichtlich viele Menschen in ihrem Alltag, das gute, gesunde Leben ist zudem immer auch sehr individuell interpretierbar und daher nur begrenzt mess- und quantifizierbar. Andererseits braucht eine Gesellschaft inmitten multipler Krisen und Umbrüche ein ausgleichendes, ein holistisches Leit-Narrativ: es geht nicht mehr um Steigerung und Addition, sondern um Selbst-Fürsorge. Caring statt Competition.

Resilienz ist in volatilen Zeiten ein ungleich höherer Wert als Effizienz. Damit laufen auch die tradierten Kampfbegriffe der Perfektionierungs-Industrie (besser, effizienter, schneller) ins Leere, die Neuen Milden von heute reden lieber von Resonanz. Holistische Gesundheit ist das angestrebte Lebensziel, und dieses erreicht man nicht mit reaktiven Strategien, sondern mit präventiven und (KI-unterstützten) personalisierten Therapien, Techniken und Verhaltensweisen, ob beim Schlafen, bei der Ernährung oder beim Körpertraining. Gerade die drastisch zunehmenden Volkskrankheiten wie Stress, Depressionen u.a. erfordern präventives, systemisches Handeln, in der Familie ebenso wie am Arbeitsplatz.

Das Reframing hin zu ganzheitlichem Wohlbefinden verändert aktuell viele unserer Lebensbereiche, von der Arbeitswelt (Corporate Health) über die gesunde Stadt (green, walkable & bikeable) bis zur Freizeit- und Tourismuswirtschaft, in der es künftig noch mehr um präventives Lebensstil-Management geht. Der Wertewandel rückt Regeneration in die Mitte des gesellschaftlichen Wertesets: so erwarten sich 38% der weltweit befragten Konsument:innen von Marken, dass sie die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen verbessern (VML INTELLIGENCE, The Future 100, 2024).
Ein nachhaltiger Veränderungs-Impuls hin zu Holistic Health kommt ausgerechnet von der Next Generation – gerade sie versteht, dass Gesundheit und gesunde Umwelt unmittelbar zusammenhängen. Die Generation Z sieht in einer nachhaltigen Lebensweise den Schlüssel für die eigene Gesundheit. Fast 6 von 10 der jungen Erwachsenen achten präventiv auf ihre Gesundheit (pronova BKK, GENERATION Z & HEALTH, 2021) – vom ausreichenden Schlaf (49%) über regelmäßigen Sport (41%) bis hin zur gesunden, ausgewogenen Ernährung (40%).

Die Pandemie hat den Stellenwert der Gesundheit bei jungen Leuten noch deutlich verstärkt, insbesondere Mental Health ist ein viel und viele bewegendes Thema (gleich 41% der Frauen unter 35 geben an, aktuell unter Depressionen, Angststörungen, Essstörungen o.a. psychischen Erkrankungen zu leiden (AXA, „Mental Health Report“, 2023). Kaum eine Employer Branding-Strategie, die nicht auf hauseigenes Gesundheits-Management hinweist, auf Mental-Health-Programme und vorsorgliche Work-Life-Modelle.
Nicht nur der (unaufhaltsame) internationale Switch zur 4 Tage-Woche zeigt – die Arbeitswelt wird gesünder und sozialer. New Work ist immer auch New Health. Buddhisten würden hinzufügen: Möge die Übung gelingen.
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Wohin sich unsere Freizeit in Zukunft entwickelt und wie sich Gesundheit, Künstliche Intelligenz und Healthy Nature verschränken, bereiten wir immer wieder gerne in und für Medien auf, z.B. jüngst in der neuen Ausgabe von „Pragmaticus“ oder im Interview mit ServusTV:



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