Future Work

Work Flow im kreativen Kapitalismus

„Sucht euch einen Arbeitgeber, der nicht dreimal in der Woche nach eurem Körper verlangt – wenn er nur euren Kopf braucht“, lese ich im Social Media-Post eines Kommunikationsexperten. Ist dieses „Remote First“ bloß die Einstellung eines digitalen Evangelisten oder hat das physische Büro tatsächlich ausgedient?

Fact ist, dass sich Output und physische Präsenz in wissensbasierten Jobs immer mehr entkoppeln. Man muss nicht gleich an die Horden von digitalen Nomaden denken, die z.B. in Lissabon, dem Hotspot der Remote Worker, temporär leben und von dort aus vernetzt arbeiten. Generell möchte der überwiegende Teil der Arbeitnehmer:innen heutzutage nicht mehr auf Remote Work verzichten: 84% wollen mindestens zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten (EY, 2022). 43% der Österreicher:innen wünschen sich Hybrid Work, also einen Mix aus Home Office und Büro als dauerhaftes Arbeitsmodell (Cisco, 2022).

Die Pandemie war der Booster einer radikalen Umgestaltung unserer Arbeitswelt – flexible und individuelle Arbeitsmodelle setzen sich seitdem immer mehr durch. Der Soziologe Andreas Reckwitz diagnostiziert eine „Singularisierung der Arbeitswelt“. Die 4 Tage-Woche breitet sich meiner Einschätzung nach in den nächsten Jahren unaufhaltsam aus (der Einsatz von KI steigert parallel die betriebliche Wertschöpfung), weil sie den Werten der Generation Z entspricht. Für diese stehen Lebensqualität, Selbstwirksamkeit, ganzheitliche Gesundheit ganz oben auf der Agenda. Persönliche Wohlfühlzone vor Common Good.

Arbeitszeit ist Lebenszeit, und diese will sinnvoll ausgefüllt und mit eigener Zeit- und Ort-Souveränität ausgestaltet werden. Tradierte Vorstellungen der Arbeitswelt werden zunehmend abgelöst (so wie das Dienstfahrzeug bei der jungen Generation durch das E-Bike). Ohnehin müssen hybride Gesellschaften Berufs- und Privatleben immer wieder neu ausbalancieren. Zeitmodelle werden an neue Werte angepasst, aus 9-to-5 wird 3-2 (Mitarbeiter:innen optieren mehrheitlich für 2 Tage Home Office), Funktionen neu austariert durch z.B. Jobsharing, etwa Tandem-Jobs für Führungskräfte (siehe Sharing-Plattform www.jobtwins.work).

Digitale Transformation ist immer auch eine kulturelle: Unternehmen werden zu fluiden Organisationen, statt vertikaler Hierarchien und Ab-Teilungen bilden sich agile, projektorientierte Netzwerke, die auf losen Kopplungen beruhen sowie auf Selbstorganisation der Mitarbeiter:innen. Arbeit erfolgt in co-kreativen Prozessen, über Sektoren und Zeitgrenzen hinweg. Dieser dezentrale Work Flow birgt freilich auch eine starke Erosion der Bindungen in sich – 42% der Angestellten fühlen sich aktuell „wenig oder gar nicht“ ans Unternehmen gebunden (Rheingold Institut). Digital Leadership stößt schnell an Grenzen.

Wenn Arbeit zunehmend ort- und zeitlos wird, wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, Arbeits- und Aufenthaltsort verschwimmen, dann verändern sich auch die Anforderungen an den Work Space. Dieser muss Flächen effizient nutzbar und on demand zugänglich machen (der Flächenbedarf sinkt ja angesichts von Remote Work), dabei die ESG-Ziele erfüllen (von CO2-Reduktion bis zur Fokussierung auf den Bestand) und so etwas wie Corporate Happiness ermöglichen. Glückliches Arbeiten ist Arbeiten in gesunder Umgebung.

Vor allem aber kommt dem physischen Büro in einer dematerialisierten Welt eine Hauptaufgabe zu: ein starker sozialer Ort zu sein. Büros sind Clubbing-Locations des kreativen Kapitalismus. Sie sollen, so die implizite Anforderung,

  • Identität stiften und die Kultur des Unternehmens greifbar machen
  • Identifikation mit dem Unternehmen und das „Wir-Gefühl“ stärken
  • Unternehmens-DNA in Wert setzen (Branded Place)
  • Interaktion, Kreativität und Kollaboration der Mitarbeiter:innen stimulieren.

Je jünger die Mitarbeiter:innen, desto wichtiger ist ihnen vor allem die soziale Komponente ihres Arbeitsplatzes. Im Zuge der nachhaltigen Transformation kommt dem sozialen Kapital der zweifellos wichtigste Part in Organisationen zu: 70% der Führungskräfte glauben, dass soziale Nachhaltigkeit essenziell für den zukünftigen Erfolg einer Organisation ist (EY-Parthenon). Individualisierte Arbeitszeitmodelle und Talente-Entwicklung, Gesundheits-Programme u.a. gehören klar dazu.

Attraktive Arbeitsplätze sorgen für das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen ebenso wie für eine ökologische Regeneration des Arbeitsortes. Mensch & KI arbeiten dabei immer stärker zusammen. Smarte Tools sind für eine gute Zukunft unerlässlich, auch im Office Management.

Wie z.B. das Office Tool re:workX, das der Wiener Immobilienentwickler Value One mit dem Licht-Spezialisten XAL auf den Markt gebracht hat. Dank integrierter Sensorik in Bürolampen und einer Office App lassen sich ESG-Ziele (CO2-Emissionen u.a.) und individuelles Wohlbefinden am Arbeitsplatz bequem optimieren (Raumtemperatur,  Luftqualität etc.) sowie Services vereinfacht abrufen (Buchung von freien Arbeitsplätzen, E-Mobilität etc.).  

Soziale Qualitäten gehen immer einher mit atmosphärischen. Das Büro als Resonanz-Ort erfordert ein narratives Place Making, das lebhaften Austausch und konzentrierten Rückzug, Reflexion und Kreation in fluide Zonen einbettet. So können Menschen aus ihrer kognitiven Routine heraus- und in den kuratierten Zufall hinein gelangen. Darin liegt die Daseinsberechtigung eines physischen Büros: sozialer Austausch, Community, fokussierter Wissenstransfer… ein reger Stoffwechsel als Voraussetzung für Innovation.   

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