Intensität ist ein Schlüsselbegriff der Erlebnis-Ökonomie – der moderne Mensch ist versessen auf tiefe, berauschende Gefühlen, will ergriffen, berührt und geflasht werden. Genau diesen Dopaminschub verspricht das städtische Nachtleben: Die Nacht verkörpert das Dunkle und Geheimnisvolle, den Rausch und den Exzess, Lust und Lametta, aber auch das Verbotene und Bedrohliche, das Unsichere. Diese Gleichzeitigkeit kennzeichnet die Nacht in der Großstadt.

Die Stadt, die niemals schläft ist längst zu einem globalen Marketing-Label geworden, von New York bis Berlin, von Rotterdam bis Madrid, von Tokyo bis Seoul. Das städtische Nachtleben mit seinen Bars und Clubs, seiner Gastronomie und Partyszene, seinen Bühnen und Events sowie seinen Subkulturen ist nicht nur Teil der Lebensqualität einer Stadt, sie ist Ausweis ihrer Lebenslust, Weltoffenheit und Kreativität. Work hard, play hard. Yin und Yang. Ein vibrierendes (und sicheres) Nachtleben zieht Bewohner:innen ebenso an wie Touristen, formt Stadt– und Quartiers-Identitäten und ist ein wichtiger Standortfaktor. Eine attraktive Metropole, so das Marketing-Versprechen, pulsiert rund um die Uhr, eben 24/7.
Metropolen wie Wien oder Berlin u.v.a. servicieren inzwischen mit ihren Club Commissions die städtische Clubkultur, in Mannheim, Münster u.a. Städten wurden Nachtbürgermeister installiert, welche die unterschiedlichen Interessen von Nachtwirtschaft und Anwohner:innen aushandeln und Nutzungskonflikte (Lärm, Littering usf.) lösen sollen. Das sind wichtige Schritte hin zu einer gesamtheitlichen Governance der Nacht-Ökonomie.

Als Wertschöpfungsfaktor entdeckte man die dunkle Seite der Stadt Anfang der Nullerjahre. Damals sorgte das Narrativ der Creative City in Stadtmarketing-Köpfen für fiebrige Erregung – die Kreativwirtschaft wurde strategisch entwickelt und in ihrem Windschatten (oft ungeplant) auch die Nacht-Ökonomie. Hot Spots wie z.B. in Berlin das Berghain oder das Bermuda3eck in Bochum zeigten exemplarisch, wie Nachtorte Imageträger und Agenten des Wandels zugleich sein können. Dieses urbane Place Making hat Geschichte – schon Ende der 1970er Jahre hatten Locations wie der Ratinger Hof in Düsseldorf diese Rolle inne (hier wurde nicht nur der deutsche Punk erfunden, hier verkehrten Künstler wie Blinky Palermo, Katharina Sieverding, A. R. Penck, Joseph Beuys u.v.a.), hier wurde der Grundstein für das popkulturelle Image der Stadt gelegt, das bis heute stark nachhallt mit Größen wie Kraftwerk oder die Toten Hosen.
Was jedoch in europäischen Städten oft fehlt, ist eine evidenzbasierte strategische Entwicklung des nächtlichen Ökosystems (Club-Kataster anzulegen ist da nur ein Schritt). Die Nachtwirtschaft ist schließlich massiv herausgefordert und im Umbruch: Besucherzahlen sinken, Betriebs- und Personalkosten steigen rasant – Clubschließungen bedrohen Standorte und deren Image als Party-Metropole.

Zugleich ändern sich auch die Ansprüche und Nutzungsmuster der Besucher:innen, vor allem seit der Pandemie. So ist etwa das Cornern, das beiläufige Treffen an einer Straßenecke, die gemeinsame Nutzung informeller Orte, mehr denn je ein geschätztes soziales Ritual bei vielen Jungen. Überhaupt die Generation Z – diese hat ein anderes Ausgeh- und Konsumverhalten. Natürlich feiern die Jungen auch auf Partys, tun das aber gerne zu Hause (der vegane Burger kommt über den Lieferdienst, getrunken wird oft alkoholfrei) und das nicht zu lange. Die gesundheitsbewusste Gen Z liegt lieber um 22 Uhr im Bett, um am nächsten Morgen fit zu sein ist. Nachtschwärmer sehen anders aus. Passend dazu entstehen neue Betriebsformate wie Listening-Bars, die mit wertigem Ambiente und perfektem Sound ihre Kunden anziehen (ähnlich der japanischen Jazz Kissas).

Es ist paradox: Während die städtische Nachtkultur weiterhin ein unverzichtbarer Treiber des Stadt-Marketings ist, während junge Schwarmstädte und Tourismus-Metropolen ihre glitzernde Nachtstadt einsetzen im Wettbewerb der Städte, schwächeln viele Akteure eben dieser Nacht-Wirtschaft: Gastronomie, Clubs, Veranstalter, Kulturorte usf., vor allem kleinere Venues kämpfen um ihre Existenz.

Es gilt, die Nacht-Ökonomie krisenfest zu machen und noch stärker in die gesamte Stadt- bzw. Standort-Entwicklung zu integrieren. Dazu bedarf es einer Bewusstseinsbildung der Stadtpolitik (die Systemrelevanz der Nachtwirtschaft ist noch nicht in allen Köpfen angekommen), aber auch vorausschauender Anpassungen sowie der Entwicklung schlagkräftiger Ökosysteme.

Was es zur Resilienz der Nacht-Ökonomie braucht:
- Experimente (Formate, Räume, insbesondere Außenräume…) sollten „institutionalisiert“ werden. Die Nacht steht für Freiheit, und diese kann sich nur in Freiräumen entwickeln
- Anpassung an neue Nutzungsmuster (zeitlich und räumlich)
– Mehrfachnutzung von Flächen, etwa die Umrüstung von Clubs tagsüber als Co-Working-Spaces, Pop-up-Eventräume, Nachbarschaftstreffs u.a.
– Drinnen ist das neue Draußen: ganzjährige Außengastronomie und Bespielung (auch konsumfreier) Dritter Orte - Gastronomie als Schlüsselfaktor für Weiterentwicklung der Innenstadt (Co-Development Immobilieneigentümer, Stadtverwaltung, Stadtmarketing u.a.)
- Sicherheit im öffentlichen Raum
– Fokus auf unerwünschte Nutzung des öffentlichen Raums (Monitoring, Präventivarbeit / Gewaltprävention), gesamtstädtisches Sicherheits-Konzept u.a.
– Sicherheit & Mobilität (Frauentaxi, Busse on demand etc.)
– Bauliche u.a. Transformation von Angstorten
– Predictive Policing (Einsatz von KI zur Verhinderung künftiger Straftaten) - Förderprogramme für Clubkultur (als Bestandteil der städtischen Lebensqualität)
- Club-Schutzzonen als Lärmschutz für Anwohner:innen
- Umcodierung durch nächtliche Marketing-Events (Food-Events, lange Nacht der Museen, der Kirchen, der Forschung u.a.)
- Kollaborative Governance: Strategische Verzahnung von Stadtverwaltung, Nachtwirtschaft, Immobilienbesitzer, ÖPNV u.a. Akteuren, auch der Stadtgesellschaft/Next Generation
– Nutzung von Freiflächen (Verwaltung, Immobilienbesitzer und Nachtwirtschaft)
– Sicherheit (Mobilitätslösungen Stadt & öffentliche wie private Mobilitätsanbieter)
– Crowding: Wo Billigflieger Partyleute zu Junggesellenabschieden u.a. einfliegen, ist ein Downsizing der Stadt vorprogrammiert, Städte wie Prag und Bratislava sind hier abschreckende Beispiele. Verantwortungsvolle Tourismusstrategien mit Einbindung aller Systempartner:innen sind dringend notwendig, um die Lebensqualität der Einheimischen zu bewahren.

Eines muss klar sein: Nur wenn wir die Nachtstadt krisenfest machen, nur wenn wir in unseren Städten eine vibrierende Nachtkultur auch mit Freiräumen und experimentellen Nutzungen pflegen, ist die Stadt als Ganzes ein Versprechen für die Zukunft.

arme Generation Z….
😅