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„Differenciate or die“ – warum Hotels nur als Marke überleben

Was haben Cindy aus Marzahn (die „Prinzessin der Plattenbauten“), Red Bull oder das Adlon gemeinsam? Alle drei sind Marken, wenn auch für unterschiedliche Zielgruppen. Alle drei sorgen für klare Orientierung, schaffen Begehrlichkeit und sind ideale Projektionsflächen für Wünsche und Sehnsüchte ihres Publikums.

These 1: ein Hotel, das keine spezielle Marken-Botschaft hat, ist nicht überlebensfähig

Der Wettbewerb der Destinationen nimmt – insbesondere im Städtetourismus – dramatisch zu. Berlin hat inzwischen mehr Betten als New York, aber auch in Wien hat sich das Bettenangebot seit 2005 um mehr als ein Drittel erhöht (von den aktuell ca. 58.000 Betten sind dort über die Hälfte Vier- und Fünf-Sterne-Häuser). Der Markt wird immer härter umkämpft – vor allem in den Städten sind oft sinkende Auslastung und für Betreiber zu niedrige Zimmerpreise die Folge.

Der verstärkte Wettbewerb forciert im Destinations-Management, aber auch immer mehr in der Hospitality-Industrie, die Themen Profilierung und Positionierung: Wie mache ich mein Hotel als Marke unverwechselbar gegenüber dem Wettbewerb, welche einzigartige Story erzähle ich welcher Zielgruppe?

Dass man mit traditioneller Zielgruppen-Segmentierung moderne Lifestyle-Milieus nicht mehr erfassen kann, haben inzwischen auch die Dinosaurier unter den Veranstaltern wie TUI oder Thomas Cook erkannt. Sie entwickelten differenzierte Erlebniswelten wie Balancewelt, XPeriencewelt u.a. (Thomas Cook), Classic, Beach, Nature, Scene u.a. (TUI) und bastelten neue Hotelmarken wie z.B. Sensimar (Paare) oder Viverde (Ökos), die auf spezifische Lifestyle-Gruppen abzielen. Über die Begrifflichkeit der Labels kann man diskutieren, nicht aber über ihre markentechnische Logik. Differenciate or die.

w_hotel_3Auch die großen Hotelketten justieren ihre Labels nach – etwa Accor (die Differenzierung im Economy-Bereich in Ibis styles, budget etc. macht diese Marken nun auch nicht wirklich attraktiver). Diese Differenzierung entspringt einer Marken-Logik vergleichbar jener der Airlines, die immer neue Linien zwischen den Klassen einziehen, z.B. zwischen Premium und Premium Economy. Auch großen Ketten können profilierte Lifestyle-Labels gelingen, das Portfolio von Starwood ist ein schönes Beispiel dafür (z.B. die prägnanten W Hotels), oder das nhow-Hotel der NH-Gruppe in Berlin etwa, das sich – einzigartig in Europa – als Musikhotel inmitten der Clubszene am Osthafen positioniert.

Die Hotellerie kommt jedenfalls im Ganzen unter massiven Branding-Druck. Am besten hat es da noch das schmale Luxus-Segment, all die Top-Labels in der Hotellerie, die jede große Destination braucht, um vermehrt internationale Gäste anzuziehen. Die Le Méridiens dieser Welt sind zeitlos – auch wenn sich auf den etablierten Quellmärkten zunehmend ein neuer Luxusbegriff herausbildet (den Design-Formate abseits des Mainstreams oft adäquater übersetzen), aber der Pool an luxusaffinen Gäste aus Schwellenländern wächst stetig und hält so die Begehrlichkeit der Luxus-Brands aufrecht. Zudem dehnen künftig immer öfter starke Designer-Marken aus der Mode (wie Armani, Camper u.a.) ihre Markenwelt auf die Hotellerie aus…

These 2: Der Branding-Druck entsteht im breiten Mittelfeld. Luxus und Diskont sind weitgehend abgesichert

25hSpannend wird es im Mittelfeld, in dem immer noch die Mehrzahl der Gäste zuhause ist und das fälschlicherweise in den letzten Jahren vielfach aufgegeben wurde („Die Mitte ist tot“). Gerade die Mitte lebt und gibt kräftige Rauchzeichen – nach unten oder nach oben. Die Mitte häutet und differenziert sich, sie streckt sich oder sie bückt sich… All die Motel Ones, Daniels, Meiningers, CitizenMs, 25 hours usf. führen seit einigen Jahren die Hybridisierung zwischen Premium und Budget erfolgreich vor. Paradoxe Konzepte (mehr Komfort auf weniger Fläche zu fairem Preis) und urbaner Lifestyle-Appeal markieren die Leistung der Lean Luxury Hotels, die im städtischen Raum immer neue Blüten treiben.

Die Angehörigen der Generation V (V wie Vapiano) erwarten höchste Usability auch von einem Hotel, schicke aber (wo möglich) reduzierte Features, leistbare Preise. Low Cost, High Style, wie es das Aiport-Hotel Yotel seit 2007 in London praktiziert. Das Hotel als begehbares Smartphone – okay: nicht für den Urlaub, aber für einen Business-Aufenthalt. Smarte Konzepte, pragmatisch in Stilistik und Preisgestaltung wie etwa bei den asiatischen Tune Hotels, brechen die verkrusteten Strukturen der Sternewelt auf. Das Hotel von morgen muss – im Luxus-Segment natürlich noch viel stärker – in erster Linie die Sehnsüchte der Gäste stillen und nicht nur ihre Bedürfnisse befriedigen – Letzteres ist Basisleistung. Dass dabei Bett und Badetisch auf der Achse des Guten liegen, ist bekannt.

These 3: Sehnsüchte müssen gestillt und nicht nur Bedürfnisse befriedigt werden

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Aber die Realität ist anders als die Wirklichkeit, könnte man ein Fußballer-Zitat auf die Hotellerie ummünzen. Dort wird immer noch eine Bewertungslogik (Sterne-Kategorie etc.) angewandt, die der Komplexität und Dynamik der Konsumwelt längst nicht mehr entspricht (das gilt übrigens auch für die kreative Küche). Die Zeiten ändern sich, die Komplexität nimmt zu: in meiner Jugend gab es beim Bergsteigen als höchsten Schwierigkeitsgrad 7, heute liegt der Peak bei 9b. Neue Kletterstile (Bouldern etc.) erfordern neue Bewertungskriterien.

These 4: Experience Value: Marken-Erlebnis statt Sternezählen

Die Kreativen der Hotelbranche aber gehen ohnehin andere, eigene Wege und basteln sich ihren Himmel ohne Sterne – Identität entsteht auch aus der Differenz zum Wettbewerb. Sie stellen den Soul Factor (wie etwa die White Line-Hotels) in den Vordergrund, sie verstehen sich als Lifestyle-Hubs, die gleichwohl tief in ihrer Region und jeweiligen Kultur verankert sind. Kein Schnickschnack, keine überflüssigen Zeichen. Kreative Gastgeber wissen, dass moderne Leitmilieus keinen industriellen Luxus wollen, sondern authentische Werte und ebensolche Gemeinschaften suchen. Nicht jeder Gast passt zu jedem Gastgeber – und umgekehrt.

 

piz_tschütta_1Begehrlich ist alles, was versteckt liegt, abseits der Masse. Je außergewöhnlicher eine Location, je aufwändiger der Weg zu einem begehrten Produkt, desto größer fällt der „Distinktions-Gewinn“ aus. Neue Statussymbole sind Erlebnisse abseits des Mainstreams, wie etwa die „Erste Spur“ in den Bergen, bei der man im Morgengrauen in kleiner Gruppe die jungfräuliche Skipiste abfährt. Kreative Leitmilieus haben neu codierte Vorstellungen von Luxus.

Wenn sich Werte und Vorstellungen verändern, müssen sich auch Hotel-Formate verändern. Die Zukunftsformel heißt: einfach auf hohem Niveau. Das Hotel ist ein Resonanzraum fürs Ich.  Nicht mehr. Und nicht weniger.

Andreas Reiter diskutierte kürzlich, auf Einladung von hospitalityInside, im Nassauer Hof, Wiesbaden mit einer Runde CEO’s und Start-ups aus der Hotellerie über Marken-Profile und neue Hotellabels.

Mein persönlicher Tipp für Experience Seekers: die kreativen White Line-Hotels (www.whitelinehotels.com), darunter beispielhaft:

sowie das Rough Luxe Hotel in London: http://www.roughluxe.co.uk/

8 Kommentare zu “„Differenciate or die“ – warum Hotels nur als Marke überleben

  1. Schellhorn, Sepp

    grossartiger beitrag. danke dir, lieber andreas. ________________________________________

    • reitera13

      Auf unsere kreativen Hotelliers abseits des Mainstreams, lieber Sepp! und bis bald im Seehof, Andreas

  2. Das stimmt sicher auch für andere Märkte! Der Artikel regt zum Nachdenken an – Gratulation!

  3. Danke Herr Reiter, ein interessanter Artikel mit sehr anregenden Informationen. Freue mich, dass wir vom Hotel Piz Tschütta in Vnà zu den „Auserwählten“ gehören…

  4. Herzlichen Dank für diesen Beitrag, der genau mein Beratungsfeld beschreibt. Was mir darin jedoch fehlt, ist die zukunftsorientierte CSR-Basis (Corporate Social Responsibility) jeder neuen Angebotspositionierung. „Rough Luxe“ definiert „Luxus“ u.a. mit „Natur“ und „Umwelt“ und unterstützt ein Supercup Racing Team: eine äußerst widersprüchliche Positionierung!
    Weiters bin ich auch nicht der Meinung, dass Verknappung die Nachfrage automatisch steigert. Sie steigert nur den Preis. Aus meiner Sicht wünschenswert sind für so viele Menschen wie möglich leistbare und qualitative, aber nicht luxuriöse, Tourismusprodukte. Dabei hilft die tiefergehende Erarbeitung einer Positionierung und nicht allein die Marktorientierung an Hand der Lifestyle oder Sinusmilieus.

    • reitera13

      Der Markt ist ja groß genug für unterschiedliche Bedürfnisse und Möglichkeiten – Luxus ist ohnedies eine subjektive Kategorie…

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