Die Einkaufslandschaft differenziert sich weiter, die traditionellen Handelsformate werden immer mehr aufgebrochen durch E-Commerce und semi-virtuelle Pop-up-Konzepte. Die Hybridisierung verstärkt sich: aus Tankstellen werden immer öfter Nahversorger, Online-Akteure wiederum zeigen nun auch physische Präsenz (Zalando z.B. mit eigenem Outlet in Berlin-Kreuzberg), Lifestyle-Marken stoßen in affine Branchen vor (etwa der Schuh-Hersteller Camper mit seinen Boutique-Hotels) oder inszenieren ihre Markenwelt (vor allem im Electronics-Bereich) in stylischen Showrooms – kaufen freilich muss man die Produkte wo anders.
Für Retailer jedenfalls ist die emotionale Inszenierung vor Ort lebensnotwendig – der Point of Sale wird zum Point of Emotion. Markenzentriertes Story Telling im Handel ist deswegen so wichtig, weil Konsumenten ihre Kaufentscheidung zu zwei Dritteln erst am POS fällen. Wer den Konsumenten verführen will, muss mit seinem Markenversprechen glaubhaft den (emotionalen) Mehrwert seines Produkts unterstreichen. Motto: „Ich verkaufe keinen Kaffee, sondern fünfzehn Minuten Pause“ (Starbucks-Gründer Howard Schulz).
Je virtueller die Welt wird, desto mehr sehnen sich Konsumenten nach emotionaler Aufladung. Shopdesign ist längst ein strategisch wichtiges Marketing-Instrument. Neben dem Sporthandel ist hier vor allem der Lebensmittel-Handel kreativ (in Österreich weit mehr als in Deutschland). Hiesige Handelsketten bespielen mit ihrem emotional design – nicht nur in ihren Premium-Stores – zentrale Konsumentenwerte wie etwa regionale Identität zum Teil virtuos. In Westösterreich inszeniert sich der Lebensmittelhändler MPreis („The Seriously Sexy Supermarket“) an seinen Standorten mit individueller architektonischer Formensprache – und landete mit seinen anspruchsvollen Outlets sogar auf der Architektur-Biennale in Venedig.
Die ausdifferenzierte Einkaufslandschaft spiegelt die fragmentierte Gesellschaft mit ihren konsumistischen Mikro-Milieus mit jeweils eigenen Codes und Konsum-Präferenzen wieder. Wo sie aber alle zusammentreffen – die Ökos und die Bobos, die Performer und die Hausfrauen aus den Tiefen der Bürgerlichen Mitte – das sind die Märkte in den Städten.
Städtische Obst- und Gemüsemärkte erfreuen sich steigender Besucherzahlen – die beiden am stärksten frequentierten Wiener Märkte beispielsweise (Naschmarkt und Brunnenmarkt) ziehen immerhin jeweils 60.000 Besucher in der Woche an. Doch auch die Märkte sind einem ästhetischen Upgrading unterworfen und müssen sich immer stärker als klar erkennbare Marke positionieren, ob Genussmeile oder Ethno-Markt. Die Renaissance der Märkte hat viel mit der brüchigen Identität der Stadtnomaden zu tun, mit ihrer Sehnsucht nach lokalem Grounding und nach natürlichen, intakten Kreisläufen.
Kaum ein Symbol ist so archetypisch wie der Marktplatz – eine Metapher für Kommunikation, für Austausch von Waren und Informationen jeglicher Art, für soziale Begegnung.
Die Marktstände sind aber in vieler Hinsicht ein Relikt aus alten Tagen, das Altvertraute muss da und dort sanft in die Zukunft bugsiert werden. „Die Produkte werden seit mehr als 100 Jahren gleich präsentiert“, sagt der Designer Xaver Kettele, der vor kurzem in Graz im Rahmen des Designmonat Graz mit 10 Designer-KollegInnen in 10 Tagen 10 Marktstände am Kaiser-Josefs-Markt neu gestaltet hat. „Wir wollten zeigen, dass man mit kleinen Einschnitten eine große Auswirkung auf die Wahrnehmung der Produkte erzeugen kann. Die Leute sind ja immer interessierter an der Geschichte der Produkte, die sie kaufen. Diese Geschichte kann man am Besten über persönliche Gespräche, aber auch über die Verpackung transportieren.“
Auch der Marktplatz hat seinen Lebenszyklus und muss somit angepasst werden an neue Bedürfnisse und Sehnsüchte. Re-Design the Market. Wer die richtigen Symbole zur richtigen Zeit produziert, lenkt den Markt.
Grossartig, danke
das ist ja auch das, was Ihr in eurem wunderbaren Hofmark in Goldegg macht 🙂
Customer Experience Management (CEM) ist die Weiterentwicklung des CRM und dient dem erlebnisorientierten Marketing. Bewusst gesteuerte, den Gästebedürfnissen entsprechend gestaltete, kleine Erlebnisse während der Begegnungen zwischen GastgeberIn und Gast bzw. VerkäuferIn und KäuferIn sorgen für emotionale Bindung und folglich für Loyalität. Dazu benötigt es nicht immer extra Inszenierungen, sondern zumeist nur eine kommunikative zwischenmenschliche Begegnung.
„nur“ eine kommunikative Begegnung?… Das ist ja die Kunst, oder?!