Die Pandemie und die nachfolgenden Krisen waren eine Zäsur für die Arbeitswelt. Inmitten all der Fragilität stellten sich die (Post-)Millennials vermehrt die Frage nach der Sinnhaftigkeit ihres Jobs und ihres Lebens. “Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ spitzt die Journalistin Sara Weber, stellvertretend für ihre Zeitgenossen, die gefühlte Absurdität zu.
Dem Arbeitsmarkt bleibt seitdem die Luft weg und den Unternehmen vielfach das Personal – mit Folgen wie u.a. ausgedünnte Fahrpläne im öffentlichen Verkehr, dezimierte Abteilungen in Krankenhäusern, reduzierte Dienstleistungen (Lokale mit kürzeren Öffnungszeiten u.a.).

Der große Aderlass, die Flucht aus frustrierenden Jobs sind ein weltweites Phänomen, mal verpackt als Quiet Quitting (USA) oder mal als Tang Ping (China). Es geht aber hier nicht nur um eine kollektive Erschöpfung meist junger Leute, sondern mehr noch um einen strukturellen Wandel, um einen Bruch mit dem kapitalistischen Arbeitsethos: nicht mehr der Job ist für die Jungen das Wichtigste im Leben, sondern das private Glück. Nur wenn das Berufsleben in den Alltag passt, lohnt sich für die Generation Z offensichtlich ein Engagement – fast schon ein Rückgriff auf die Ideale der griechischen Antike: wer dort etwas auf sich hielt und ein „freier Bürger“ war, arbeitete nicht, Muße statt Broterwerb lautete das Leitmotiv der alten Griechen.
Und heute? Da wird immer öfter – und das auf breiter gesellschaftlicher Front – der „Vollzeitfetisch“ beklagt: knapp die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland (48 Prozent) würde in Teilzeit wechseln, so der Arbeitgeber das ermöglicht (Yougov 2022).
Wird New Work zu Anti Work?
Nein, die Post-Millennials wollen schlichtweg nicht mehr mehr arbeiten, sondern anders. Sie haben hohe Ansprüche an individualisierte, flexible Arbeitszeitmodelle (nicht nur die 4 Tages-Woche, auf die in Ländern wie Belgien inzwischen Rechtsanspruch besteht). Die Jungen wollen Jobs, die ihnen Selbstwirksamkeit und Entfaltung ermöglichen – und mehr Lebensfreude. Sie legen starken Wert auf Zeit- und Ort-Souveränität.

Home Office ist schon fast so etwas wie ein Hygienefaktor – so bieten beispielsweise 9 von 10 Firmen in Österreich ihrer Belegschaft diese Option (Quelle: Deloitte). Output und physische Präsenz entkoppeln sich zunehmend – eine gewaltige Herausforderung für z.B. ortsbezogene Dienstleistungen (Gastro u.a.) – deren Wertigkeit in einer dematerialisierten Welt steigen (und mehr kosten) wird.
Die Zukunft – in wissensbasierten Jobs – gehört dem multilokalen Arbeiten, das Anlass bezogen Orte bespielt (mal das Büro, mal das Home Office, mal den Coworking-Space etc.). An jeweiligen Lebensphasen orientierte Teilzeit-Modelle – ob für Weiterbildung, persönliche Interessen oder Care-Tätigkeiten – werden von den Jungen verstärkt nachgefragt – Lebenszeit ist mehr als Arbeitszeit. Auch haben etwa junge Eltern heute andere partnerschaftliche Vorstellungen und wollen sich die Sorge-Arbeit (Kinder, alte Eltern etc.) gerechter aufteilen.

Die Generation Z kann sich ihre Anforderungen an z.B. individualisierte Arbeitszeit-Modelle auch leisten – auf ausgedünnten Jobmärkten stellen schließlich die Arbeitnehmer die Bedingungen und nicht mehr die Unternehmen. Und, nebenbei gesagt, handelt es sich auch um eine Generation der Erben: da kann man schon mal für 1.800 EUR halbtags arbeiten und dennoch in einer coolen Dachgeschoss-Wohnung leben, die einem Mama und Papa finanziert haben.
Die Neukonfiguration der Arbeitswelt lässt sich aber nicht nur durch ein verändertes Werte-Set einer jungen Generation erklären. Sie geht auch mit einer Entzauberung des Kapitalismus einher – lineares Wachstum war einmal, das Aufstiegsversprechen (jeder Generation geht es besser als der vorigen) lässt sich seit einigen Jahren schon nicht mehr halten.

Wir sind gerade im (ruckelnden) Übergang zu einem zirkulären Wirtschaftsmodell. Dieses erfordert partnerschaftliche, interagierende Ökosysteme. Vom Rand her drängen Postwachstums-Philosophien und Gemeinwohl-Modelle (langsam) in die gesellschaftliche Mitte. Krisen dienen immer auch als Korrekturen hin zum Besseren – in der Arbeitswelt spülen sie jetzt eben die soziale Agenda und damit die Bedürfnisse der Mitarbeiter nach oben (angetrieben vom „Fachkräftemangel“). Bei den ESG-Zielen wird somit das „S“, der soziale Bereich immer wichtiger, etwa der gesellschaftliche Impact eines Unternehmens. Vor kurzem noch wäre ein Gesetz undenkbar gewesen, das Frauen (wie in Spanien) bei Menstruationsbeschwerden freie Tage zuspricht.
Die Verknappung an Arbeitskräften bringt zudem eine dringend nötige Umverteilung des materiellen Wohlstands mit sich: bisher schlecht bezahltes Dienstleistungspersonal (Pfleger, Kindergärtnerinnen, Busfahrer, Kellnerinnen u.a.) wird monetär aufgewertet. Auch wenn Skeptiker sich Sorgen um den künftigen Wohlstand machen – Unternehmen werden in Zukunft über massiven – unterstützenden – Einsatz von KI und Automatisierung eine steigende Wertschöpfung erzielen (Co-Working Mensch & Künstliche Intelligenz), die auch den Mitarbeiter:innen zugute kommt – und auch die Sozialsysteme einer alternden Gesellschaft absichert.
Selbstbestimmtes Arbeiten, bei dem es um Output geht statt um reine Präsenz, um Sinn und um kreative Kollaboration (mit Menschen wie mit KI) – der Kulturwandel in der Arbeitswelt ist unaufhaltsam. Aktuell drehen die Jungen (Generation Z und Millennials) das Evolutions-Rad ein Stück weiter und morgen werden es die Silver Worker sein. Change happen‘S.
Unsere Expertise über die Arbeitswelt von morgen teilen wir mit Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften sowie regelmäßig auch mit Medien.
Lieber Andreas,
Im gemeinsamen Verständnis aller Analysen und Umstände der New Work, haben wir jedoch noch keine echte Formel für den Bereich der Dienstleistung mit Präsenzanspruch gefunden. Dort wo AI etc. Nicht Präsenz ersetzen kann, dort wo quasi mit dem Gast produziert wird. Dort wo der Sinn der Arbeit, das Glück durch Selbstbestimmtheit und die Freude an Leistung die sich lohnt die Treiber sein müssen, dies jedoch allein durch die Interaktion mit dem Gast als visavis teilfremdbestimmt bleibt und nur durch ein neues eigenes Mindset in positiv motivierte individuelle Wahrnehmung der Arbeit eventuell umgewandelt werden könnte.
Wir sind in Wirklichkeit noch lange nicht am Ende der Lösungsformeln.
Liebe Grüsse
Susanne
Liebe Susanne,
danke für deinen geschätzten Kommentar! Ich gebe dir recht, im Dienstleistungssektor sind wir noch weit davon entfernt, die Glücksformel gefunden zu haben. Lebensfreude, Selbstwirksamkeit und gelingende menschliche Begegnungen zu verbinden, ist eine Mega-Herausforderung.
Dir alles Beste und liebe Grüße, Andreas
Die von Ihnen gepriesenen müssiggehenden antiken Griechen waren natürlich sklavenhalter. Das nur nebenbei. Ansonsten haben Ihre Ausführungen meine volle Unterstützung und die Generation z auch.
Hallo Herr Vierich – damit kein Missverständnis aufkommt: ich „preise“ die alten Griechen ja auch gar nicht, ich stelle nur eine gewisse Ähnlichkeit mit den Idealen der dortigen „freien Bürger“ fest (Müßiggang, Zeit zum Denken etc.) – bis auf dass diese, da haben Sie recht, Sklaven hielten. Danke für Ihr geschätztes Statement & schönen Sonntag noch!
Sehr geehrter Herr Reiter, ihre Expertise und Analyse teile ich als Boomerjahrgang, da sie zudem sichlich auf wissenschaftliche Fakten basieren. Schätze Ihre Beiträge und möchte als interessierter Beobachter (wenn nicht sogar Jahrgang 1963 auch als betroffener Zeitzeuge) des kulturellen Wandels in der Arbeitswelt, ein paar Anmerkungen beisteuern.
Meiner Generation der Wirtschaftswunderjahre fallen die hausgemachten Probleme mit den Stabelkriesen sozusagen auf die Füße. Wir hätten gesamtgesellschaftlich gesehen, frühzeitiger die Weichenstellungen mit „Gestern an Morgen denken“ und bereits mit der Wende einleiten können. Haben wir die Bewegungen im europäischen Arbeitsmarkt nicht unterschätzt? So haben z.B. osteuropäische Einwanderer zum Teil den Fachkräftemangel im Handwerk aufgefangen und Betriebe gegründet. Bei uns hatte das Handwerk plötzlich keinen goldenen Boden mehr. (Stichwort: Bildungssystem) Deutsche Fachkräfte sind durch Arbeitslosigkeit zu Grenzgängern geworden. Wir könnten längst ein Einwanderungsland sein, betreiben aber eine konservative Flüchtlingspolitik. Die Liste der Ursachen könnte ich weiter fortsetzen, möchte aber damit lediglich auf die Zusammenhänge aus der Vergangenheit verweisen. Die Bertelsmannsstiftung hat meines Wissens, sowie andere Studien, Erkenntnisse dergleichen geliefert. Die Generation y/z sind geburtenschwache Jahrgänge und können die zukünftigen Rentner-Jahrgänge ab 2028 nicht kompensieren. In meinem Jahrgang alleine 30 %. Hier ist Transformation auf Augenhöhe gefragt und ich persönlich bin gerne bereit bei diesen Prozessen mitzuwirken. Freue mich auf lösungsorientiere Impulse und den Meinungsaustausch auf den Weg in die Arbeitswelt von Morgen. MfG Lutz Dennstedt
Sehr geehrter Herr Dennstedt,
Vielen Dank für Ihren fundierten Kommentar. Ich stimme Ihnen vollinhaltlich zu. Man hat die demografische Entwicklung vor über 20 Jahren gekannt und hätte sich (Politik) mit Strategien wie Qualifizierte Zuwanderung etc. auf die Zukunft vorbereiten können. Zudem die „Reserve“ Frauen (hier gab und gibt es noch eine hohe Zahl an Frauen, die ins Erwerbsleben geholt werden könnten – dafür braucht es allerdings flächendeckend Ganztagsbetreuungsstätten, und das schon für Kleinkinder)… Außerdem ist in vielen Ländern die Zahl der früh in Rente gehenden Boomer (meine und Ihre Generation) erschreckend hoch – in Österreich liegt das Durchschnittsalter für den Pensionseintritt bei 62 Jahren, in Italien noch darunter (und das bei einer immer fitteren Generation). Hier altersgerechte Job-Formate (Teilzeit etc.) mit entsprechender Weiterbildung zu entwickeln, ist für die Zukunft m.A.n. ganz wichtig – dies erfordert allerdings eine neue Wertschätzung der Silver Generation!
Ihnen alles Beste und schöne Grüße, Andreas Reiter
Lieber Andreas, Du bringst es wie immer auf den Punkt und die klugen Kommentare tun das Ihrige dazu
. Ich gehe mit, wenn Du die derzeitige Situation als Wachstumsschmerz im Transformationsprozess beschreibst. – was ja eine optimistische Sicht des Wandels ist. Und ich hoffe auch, dass am Ende alle gewinnen- unser Planet als erster!
Aber ich gebe zu, dass mich auch Zweifel umtreiben. Ich frage mich, wird die junge Generation angesichts der großen Probleme unseres Wirtschaftssystems ihre Ansprüche an die Jobs erfüllen können? Wird die Transformation sich so rasch vollziehen, dass die Wertschöpfung auch die Finanzierung des Gemeinwesens, besonders der Älteren sicher stellen kann oder wird die angestrebte Work-Life -Balance am Ende durch fehlendes Kita- und Pflegepersonal komplett ins Gegenteil zu einer massiven Überbelastung mutieren. Freizeit und Freiheit muss man sich leisten können ! Wenn das am Schluss nur noch für einige wenige möglich ist, wäre das nicht im entferntesten die Welt, für die ich schon lange gerne arbeite .
Liebe Bernadette, ich kann deine Bedenken gut verstehen. Mir fällt das bei Diskussionen immer wieder auf: wir Baby Boomer tun uns mit den Ansprüchen der Jungen besonders schwer (unser Werteset ist vielfach doch ein anderes als das der Generation Z, z.B. anderer Leistungsbegriff, Gemeinwohl u.a.), dafür denken wir aber auch ans Große Ganze (wie Du in deinem Kommentar: Sicherung des Gemeinwesens etc.). Ich persönlich gehe davon aus, dass wir kollektiv künftig andere = Postwachstumsmodelle haben werden (damit auch neue Arbeitsmodelle wie 3 Tage-Woche etc.) – das bringt einen Wohlstandsverlust mit sich (Wohlstand, wie wir ihn bisher verstanden haben), während viele der Jungen diesen anders definieren (Zeit-Wohlstand etc.)…. Mit Grundeinkommen wird eine Basis finanziert, ein neuer Frugalismus… gekoppelt mit Ehrenamt… und daneben gibt’s weiterhin ein Leistungs-orientiertes Milieu.
Dir noch einen schönen Abend!
Lieber Andreas,
wie ich Deine klugen und fundierten Beiträge schätze! Danke für diese bereichernden Einblicke und Impulse. Freue mich sehr auf Deine Keynote bei unserer Impact Academy!
Lg Tanja
Liebe Tanja, ich danke dir für deine geschätzte Rückmeldung!, das freut mich. Und die MICE Impact-Veranstaltung in Frankfurt werden wir gemeinsam super rocken!