In einer vernetzten Wirtschaft hängt die Wettbewerbsfähigkeit eines Standorts auch und gerade von seiner Infrastruktur ab. Der schnelle und reibungslose Transport von Menschen, Waren und Daten ist der Treibstoff einer global economy. Nicht von ungefähr ist Logistik die Schlüsseldisziplin der Zukunft.
Alles fließt – seit Heraklit haben wir uns in Europa an eine kollektive Fließgeschwindigkeit gewöhnt. Unvorstellbar, dass die organisierte Bewegung in unserer High-Tech-Welt ins Stocken gerät. So geschehen aber letzten Dezember, als halb Europa aufgrund der starken Schneefälle kollabierte: Flughäfen wurden lahm gelegt, an den großen Drehkreuzen London Heathrow, Paris und Frankfurt blieben die Flieger am Boden – die Vorräte an Enteisungsmitteln waren schlichtweg zu Ende. Ein tagelanger Ausnahmezustand, weil die Flughafenbetreiber an Schneeräum- und Enteisungstechnik gespart hatten.
Einmal mehr zeigte die Natur der europäischen Verkehrsinfrastruktur ihre Grenzen und ihre Verwundbarkeit auf: lahmgelegte Flieger, stehengebliebene Züge, verstopfte Autobahnen. Die Deutsche Bahn riet ihren Kunden vor Weihnachten konsequenterweise gleich von sich selbst ab und bat, geplante Reisen auf „weniger nachgefragte Zeiten“ zu verschieben. Business as unusual.
Natürlich ist diese Misere in vielen Ländern Europas in erster Linie einer drastischen (staatlichen wie privaten) Sparpolitik geschuldet. Ramponierte Autobahnen, überlastete Flugterminals, veraltete Züge, Kommunen, deren Haushalte die Reparatur der Schlaglöcher auf den Straßen kaum mehr erlauben – der nächste Stillstand ist da schon vorprogrammiert.
Dabei gehört die Bereitstellung einer funktionierenden – physischen wie digitalen – Verkehrsinfrastruktur (ebenso wie die Energie-Versorgung) zur Daseinsvorsorge. Mobilität und Erreichbarkeit sind ein klarer Indikator für Lebensqualität und zentrale Standortfaktoren im Wettbewerb. Die weltweit wachsenden Gütertransporte und Passagierzahlen machen effiziente Verkehrsnetze überlebensnotwendig. Die Europäische Union propagiert denn auch in ihrer neuen Strategie Europa 2020 „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ und appelliert an die Mitgliedsstaaten, entsprechend in intelligente Verkehrs- und Energieinfrastrukturen zu investieren.
Doch woher das Geld für die langfristigen Infrastrukturinvestitionen nehmen, um weiterhin am Binnen- wie am Weltmarkt bestehen zu können? Die Staatskassen sind leer, die Finanzkrise hat tiefe Löcher in die öffentlichen Budgets gegraben. Standorte müssen jedoch langfristig strategisch denken, für den Ausbau der Infrastruktur Kapitalstock vorhalten und intelligente Partnerschaften zwischen Unternehmen und dem öffentlichen Sektor anschieben. Nicht nur jetzt, wo das Wachstum nach der Krise wieder anspringt und in intelligente Bahnen gelenkt werden will.
Europa steht mehr denn je im Wettbewerb mit den boomenden Schwellenländern, die ihrerseits massiv in modernste Infrastruktur und prestigeträchtige Projekte investieren. Ob in China oder in Indien, aber auch in den arabischen High-Tech-Emiraten wie Abu-Dhabi oder in Singapur – ultramoderne Flughäfen, Hochgeschwindigkeitszüge und Magnetschwebebahnen sind dort kraftvolle Symbole für Wohlstand und Wachstum.
Die EU muss endlich eine kohärente Energie- und Verkehrspolitik entwickeln, die entsprechend strategische Investitionen anschiebt: Smart Grids, Netzinfrastrukturen für elektrische Mobilität, flächendeckende (mobile) Breitband-Netze, intelligente Verkehrssysteme usf. Diese – physischen wie digitalen – Netze sind die Nervenbahnen von Gesellschaft und Wirtschaft.
Europa kann im globalen Wettbewerb nur über seine technologische Themenführerschaft bestehen. Auf den Weltmärkten reüssieren intelligente Problemlösungen für eine smarte Infrastruktur, ob die vollautomatische U-Bahn von Siemens oder die Schwebebahn von Doppelmayr als städtisches Verkehrsmittel. Dieses Know how auf den Außenmärkten zu verkaufen ist das eine, es auch auf den Binnenmärkten anzuwenden das andere. Damit Verkehrskollaps und vereiste Eisenbahnschienen den Fortschritt nicht bremsen. Sonst droht Europa der rasende Stillstand.
Link zum Thema: http://oesterreichsenergie.at/februar-2011.html. „Wettbewerb der Infrastrukturen. Europa droht diesen Wettbewerb gegen die boomenden Schwellenländer zu verlieren“, meint Zukunftsforscher Andreas Reiter in seiner Trend-Kolumne im Magazin „Österreichs Energie“.
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