Das gute Leben Konsum-Trends

„Money makes the world go…“

Geld ist materialisierte Energie, sagen die Esoteriker. Geld ist ein Tauschmittel, wissen Geldtheoretiker. Systemanalytiker wie Niklas Luhmann wiederum sehen in Geld ein „generalisiertes Kommunikationsmedium“.

Dass unsere Gesellschaft materielle wie immaterielle Tauschmittel braucht, ist unbestritten.  Doch wofür geben wir, angesichts schwindenden Vertrauens auf den Märkten und (bei aktueller Verzinsung) real schrumpfenden Vermögens denn in Zukunft unser Geld aus? Und wofür sicher nicht mehr?

Worin wir in Zukunft mehr investieren werden

Bildung

Wir leben in einer Informations-Gesellschaft, die auf Wissen beruht. Nur veraltet dieses Wissen dramatisch: das universitäre Wissen schrumpft nach spätestens 5 Jahren, das technologische nach 2-5 Jahren, im IT-Sektor gar nach 1-2 Jahren. Wissen muss also stets aufgefrischt werden. Wobei sich auch die Art der Wissensvermittlung ändert. In New York gibt es wissenschaftliche Vorführungen sogar schon in Cocktailbars, man schlürft seinen Mojito und hinter der Theke blubbert es.

Generell investieren Menschen (und Unternehmen) künftig mehr in Bildung und Weiterbildung. Die Wirtschaft verzahnt sich stärker mit dem Bildungssektor, Unternehmen sind dringend auf qualifizierte Mitarbeiter angewiesen. Das Sponsoring von Bildungseinrichtungen nimmt zu. Der Wettbewerb der Zukunft ist ja ein Wettbewerb der Bildung. In Österreich ist Bildungs-Sponsoring noch in der Aufwärmphase, in Deutschland sponsert bereits jedes zweite Unternehmen eine Bildungseinrichtung. An der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt gibt’s den „Aldi-Süd-Raum“, an der Uni Linz den „Raffeisensaal“, die Uni Bremen heißt schlicht „Jacobs University Bremen“. Kritik daran? Ach was – der Campus ist eben die Arena von morgen!

Sicherheit

Wenn es einen Begriff gibt, der unsere Zeit charakterisiert, dann dieser: Unsicherheit. Alles ist unsicher, volatil: der Euro, die Märkte, der Arbeitsplatz, die Liebes-Beziehung. Untergangs-Szenarien jagen einander im Wechselspiel. Das Vertrauen der Menschen in Politik und Wirtschaft ist mehr denn je erschüttert.

Nun ist  aber Sicherheit ein Grundbedürfnis des Menschen, das er unbedingt gestillt haben will. Er versucht sich abzusichern gegen die Unsicherheiten des Lebens, mit Polizzen aller Art, mit privater Alters- und Gesundheits-Vorsorge. Auch Unternehmen wählen Betriebsstandorte nach (sozialer) Sicherheit aus. Sicherheitsdienste boomen, Anti-Viren- und Überwachungsprogramme (E-Mails und Telefonate waren einmal privat). Die Überwachung des privaten wie öffentlichen Raums nimmt signifikant zu, in Österreich sollen heute bereits rund 1 Million Überwachungskameras aufgestellt sein – neulich wurde ein (Kärntner) Politiker beim Sex sogar mitten im Wald! von einer Kamera zur Wildbeobachtung fotografiert; in britischen Städten wird jeder Bürger im Schnitt 300 mal am Tag von einer Überwachungs-Kamera erfasst. Sicher ist, dass nichts mehr sicher ist.

Sozial-Prestige

Die Gesellschaft ist reparaturbedürftig, der gute Mensch packt an, künftig mehr denn je. Die Ich-AG als Lebensentwurf ist gescheitert, Menschen begreifen sich wieder als Knoten in Netzwerken, der soziale Nutzen wird Triebkraft des menschlichen Handelns. Die Schönen und Reichen machen es vor – Bratt Pitt, der schicke Öko-Häuser im devastierten New Orleans errichtet oder Millionen für Kinder in Entwicklungsländer spendet, Bill Gates, der mit seiner Stiftung (27 Milliarden  Dollar schwer) jungen Afrikanern Hoffnung gibt u.a. mehr.

Stiftungen und private Mäzene engagieren sich in der Gesellschaft, Mikrokredite in Dritte-Welt-Ländern werden erfolgreich aufgelegt. Das gute Gewissen regiert Business und Konsumverhalten – kein Bauhaus, das nicht Gartenmöbel aus FSC-zertifiziertem Holz verkauft, kein Bäcker, der nicht Fair-Trade-Kekse verkauft, keine Lifestyle-Marke, die nicht klimaneutrale Sneakers ins Regal stellt, keine Drogerie, die nicht vegane Kondome anbietet. Die positive Moral-Bilanz stärkt das eigene Image: „Die Welt hat eine Dichte erlangt, in der die Tat unmittelbar zum Täter zurückkommt“ (Peter Sloterdijk).

Adrenalin-Kicks

Man möchte meinen, das Leben sei anstrengend genug. Dennoch gieren wir in unserer Freizeit nach außergewöhnlichen Erlebnissen, die uns aus dem Alltag herauskatapultieren. Postmoderne Menschen sind Erlebnis-Junkies, die Adrenalin-Dosis muss ständig gesteigert werden. Eine Outdoor-Kleidung beim Shoppen einfach aus dem Regal nehmen und damit zur Kasse trotten? Wie langweilig. In den deutschen Globetrotter-Shops können sich die Kunden bei minus 25 Grad auf Eisblöcke in eine Kühlkammer setzen und Schlafsäcke testen, oder die Goretex-Jacke unter einer riesigen Dusche und simuliertem Sturm auf ihre Tauglichkeit hin überprüfen. Erlebnisse sind oft wichtiger als das Produkt selbst.

Vor allem die Shopping- und Freizeit-Wirtschaft werden zur Erlebnis-Wirtschaft. Generell werden Freizeit-Locations zu Spielplätzen, auf denen man sich neu entdeckt, seine Grenzen auslotet bzw. diese überwindet. Zu Lande und unter Wasser gibt’s keine weißen Flecken mehr. Daher kommt nur noch der Weltraum in Frage. Vom neuen Weltraumbahnhof (in New Mexico) schießt Sir Richard Branson demnächst Privatpassagiere auf suborbitale Flüge ins All. Ticket: 145.000 Dollar. Hoffentlich nicht One-Way.

Worin wir in Zukunft weniger investieren werden

Auto

Natürlich wollen wir in Zukunft effiziente Mobilität. Aber dazu gehört immer seltener ein – eigenes – Auto. Die Generation iPhone hat ein anderes Verständnis von Mobilität, die Jungen wollen ein Auto zwar nutzen, es aber nicht mehr besitzen müssen.

Das Zauberwort von morgen heißt: Mobilität im Verbund, also die Vernetzung von öffentlichen wie privaten Verkehrsmitteln, um am schnellsten von A nach B zu kommen. Nicht mehr der prestigeträchtige Besitz eines Autos zählt dann, sondern bedarfsorientierte, smarte Mobilität. Wer eine Jahreskarte für den öffentlichen Nahverkehr hat, hat natürlich einen verbilligten Zugriff auf das Car-Sharing-Auto vor dem Bahnhof oder das E-Bike. Mobilität gibt’s künftig im Gesamtpaket – in Form des individuellen öffentlichen Verkehrsmittels.

Immobilien-Anlage

In den Krisenjahren ab 2008 war es ja mehr als opportun, seine letzten wackligen Euros in eine Immobilie zu investieren. Die Österreicher, bei Geldanlagen schon immer (glücklicherweise) konservativ, kauften daher wie verrückt Immobilien, das Betongold des kleinen Mannes. Es gab zwar – weil stark eigenfinanziert – keine Immobilienblase wie in Spanien oder Irland, aber der Plafond war spätestens 2015 erreicht, die letzten attraktiven Objekte zu horrenden Preisen verkauft. In Wien stiegen seit 2000 die Preise von Eigentumswohnungen doppelt so stark wie die Inflation. Der Markt ist ausgereizt.

Wer wirklich Geld hat, legt dieses künftig in hoffnungsvollen Start-ups in Biotechnologie oder Hybridstofftechnologie an, investiert in Rohstoffexploration, in Naturalien wie Wein oder Parmesan (in Italien lagert der krisenfeste Parmesan in Banktresoren, es werden sogar Kredite mit der Rücklage von Hartkäse vergeben) oder in Kunstwerke aufstrebender Künstler.

Bank-Kredite

Banken genießen derzeit ja nicht gerade den besten Ruf. Doch in Zeiten des sozialen Netzes verändert sich auch das Kreditwesen. Für Kredite ist man nicht mehr nur auf Banken angewiesen. Kredit-Plattformen im Netz schließen Investoren und Kreditnehmer zusammen.

Finanzprodukte werden immer öfter via Crowd-Sourcing vertrieben, auf Portalen wie http://www.smava.de oder http://www.zopa.com.  User haben hier ein wechselseitiges Kreditsystem aufgezogen, bewerten ihre Bonität über spezielle Rating-Systeme und agieren wechselseitig als Kreditgeber bzw. Kreditnehmer. Auf der Kredit-Plattform prosper.com wurden bisher über 300 Millionen Dollar verliehen. Auch in der Wirtschaft wird Crowd-Funding bei Innovations-Finanzierung immer wichtiger – selbst Kinofilme werden mit privaten Anteilscheinen durch Peer-Gruppen finanziert. Übrigens: eine Studie ausgerechnet der Deutschen Bank bescheinigt den Peer-to-Peer-Krediten ein „gemindertes Ausfallrisiko“ durch eine „vermenschlichte Kreditbeziehung“.

Digitaler Friedhof

Reale Beerdigungen kommen teuer. Und auch die Grabpflege. Natürlich werden Menschen auch in Zukunft real bestattet. Die Grabpflege freilich wandert zunehmend ins Internet. Auf speziellen Trauerportalen können Angehörige (kostenlos) und mit einer speziellen App das Grab ihrer Angehörigen betreuen, stets neu schmücken und ihre Erinnerungen mit Freunden teilen. Witterungsresistentes Gedenken.

Dieser Text ist eine redigierte Zusammenfassung von Statements des Zukunftsforschers Andreas Reiter in der neuen Ausgabe von “2012. Das vielleicht letzte Magazin der Welt” aus dem Media House Red Bull zum Thema Geld.

http://www.2012.at

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