Urban Future

Green City – urbane Anpassungs-Strategie oder Green Washing?

Das Dickicht der Städte wächst, bis 2050 werden knapp 70 Prozent der Menschheit in Städten leben. Das größte Wachstum erleben dabei aber nicht die Mega-Cities, sondern Städte mit bis zu fünf Millionen Einwohnern.

In diesen städtischen Agglomerationen ballen sich nicht nur Bewohner und Unternehmen, Brain und Man Power (die 600 größten Städte der Welt generieren heute bereits die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung), sondern auch gewaltige Probleme: Verkehrsstau, CO2-Emissionen, Kampf um Ressourcen jeglicher Art, von den verfügbaren Flächen über Rohstoffe bis hin zu Wasser, Energie usf.

Weltweit stehen Städte somit vor einem dramatischen Strukturwandel. Der grüne Umbau der Städte geht einher mit riesigen Investitionen in Energie-Effizienz, in intelligente Stromnetze sowie in ein städtisches Mobilitäts-Konzept, bei dem öffentliche wie private Verkehrsträger klug miteinander verzahnt sind. Arbeiten und Wohnen rücken wieder räumlich zusammen, innerstädtische Grünflächen entstehen (wie etwa in New York die begrünte ehemalige High Line).

4_wienAber nicht nur grüne Gebäude und ein smartes Mobilitätssystem entscheiden über die lebenswerte Infrastruktur von Städten, auch ein smartes Recycling-System (Urban Mining) trägt maßgeblich dazu bei. Seattle beispielsweise nutzt Methangas aus Mülldeponien als Brennstoff, in Amsterdam verkehren die städtischen Busse mit Treibstoff, der aus Müll gewonnen wird. Gerade Ressourcen verschlingende Metropolen entwickeln in Zukunft eine Kreislaufwirtschaft, bei der Abfallprodukte z.B. in der Produktion wieder eingesetzt werden: Verpackungen, die zu Dünger zerfallen, wie es auch der Öko-Visionär Michael Braungart in seiner „nächsten industriellen Revolution“ postuliert.

Den gewaltigen Investitionen, die oft nur über Public-Private-Partnerships zu stemmen sind, stehen jedoch langfristig hohe Einsparungen gegenüber. So errechnete das Wuppertal-Institut in einer Studie am Beispiel von München, wie sich eine Metropole durch energieeffiziente Lösungen (Passivhaus-Standard, Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung etc.) in fünf Jahrzehnten in eine „Nullemissionsstadt“ verwandeln kann.

Viele Städte sind schon mitten in einem ökologischen Umbau, bei dem Wachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt wird. Auch wenn asiatische Metropolen wie Singapur beim ökologischen Stadtumbau erfolgreich sind, die Pioniere der nachhaltigen Stadtentwicklung liegen in Europa. Kopenhagen, laut European Green City Index (Siemens) die „grünste“ Stadt Europas, will bis 2025 vollkommen CO2-frei werden. Oslo ist Spitzenreiter beim Einsatz von erneuerbaren Energien, Stockholm wiederum ist im Bereich der energieeffizienten Gebäude führend. Wie bei anderen Städte-Rankings liegen auch hier die skandinavischen Städte an der Spitze. Die führenden Städte belegen einmal mehr, dass hohe ökologische Standards meist mit hohem Pro-Kopf-Einkommen der Einwohner und starkem Wirtschaftswachstum einher gehen – auch ein kompetitiver Anreiz aus Standort-Sicht.

Inzwischen steigt der (Wettbewerbs)-Druck auf Großstädte, Nachhaltigkeits-Strategien zu implementieren und sich als Green City zu positionieren. Oftmals ist die Grenze zwischen ambitionierten Zielsetzungen, Good Governance sowie einem „Green Washing“ nur schwer zu ziehen: New York soll nach den Visionen von Bürgermeister Bloomberg vom Big Apple zum Green Apple werden, der CO2-Ausstoß soll bis 2030 gegenüber 2005 um 30 Prozent gesenkt werden, Dachgärten werden mit Steuernachlass errichtet, eine Million Bäume gepflanzt. Selbst der Beton-Moloch Seoul will sich in Zukunft in eine „grüne Mega-City“ transformieren.

Auch im Urban Branding wird der Einsatz von Green Lifestyle-Ikonen verstärkt, ob vertikale Gärten wie z.B. in Paris, Madrid (sensationell das Caixa Forum in Madrid), Zürich oder Bangkok, ob die Mountain Dwellings in Kopenhagen oder Roof Farming und Nachbarschaftsgärten – die grüne Symbol-Inszenierung  treibt überall ihre Blüten. Die Bespielung der Städte mit Öko-Symbolen und grünem Story Telling ist Teil des ikonografischen Marketings.

Das Auffälligste an dieser Entwicklung: nicht die ländlichen Regionen sind Vorreiter eines grünen Lebensstils, sondern paradoxerweise die großen Städte.

Dieser Text erschien – in etwas anderer Fassung – erstmals als Trend-Kolumne im Mai 2011 in „Österreichs Energie“, dem Magazin der Österreichischen Energiewirtschaft

http://www.verticalgardenpatrickblanc.com/

Buchtipp:

Leopold Lukschanderl: Urban Mining. Die Stadt als Bergwerk der Zukunft, Wien 2011 (mit einem Beitrag von Andreas Reiter: Urban Futurehttp://www.ztb-zukunft.com/pdf/urban_mining.pdf

4 Kommentare zu “Green City – urbane Anpassungs-Strategie oder Green Washing?

  1. Sehr interessantes Thema. Ich bin selbst aus Berlin und muss immer wieder schockiert festellen, dass das Thema Ökologie, Nachhaltikkeit, Tierschutz bei meiner Verwandschaft auf dem Land keine große Rolle zu spielen scheint. Da macht man sich in der Großstadt scheinbar mehr Gedanken.

    • Ja, das mag sein… wenn man das Grün vorm Fenster hat, nimmt man es wohl als selbstverständlich hin. In der Stadt hingegen nimmt die Sehnsucht nach Naturräumen zu, daher auch all die Urban Gardening-Inszenierungen…

  2. Lothar Müller

    wo ist die Entwicklung in Deutschland ????-zarte Ansätze wieder in Hamburg, und wo sonst???;
    Emmisionsverringerung, Verkehrslösungene staufrei, Landwirtschaft mit permanenter Ernte, Zukunftsberufe, -urbane Stadtkonzepte

    • Andreas Reiter

      In Hamburg passiert da schon einiges…, vor allem bei Bottom-up-Aktionen wie Green Gym usf.

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