Ja, unsere lieben Kleinen. Sie sind kreativ, wendig und machen viel Freude beim Wachsen. Wie etwa Runtastic, erfolgreicher Anbieter von Sport-Apps fürs Smartphone: mehr als 46 Mio Anwendungen wurden bisher weltweit heruntergeladen. Vor kurzem übernahm der Springer-Konzern die Mehrheit am oberösterreichischen Start-up – typisch für die Akquisitions-Strategie der (nicht nur) virtuellen Ökonomie: ein großer Spieler inhaliert einen Kleinen und damit Innovation und Wachstums-Potenziale.
In der Logik der digitalen Netz-Wirtschaft ist der Beziehungswert wichtiger als der Produktwert. 2012 wurde ein kleines Unternehmen mit 13 Mitarbeitern, nur 2-jähriger Geschichte und kaum nennenswertem Umsatz um eine Milliarde Dollar aufgekauft. Die übernommene Firma: Instagram. Der Käufer: Facebook.
So weit, so gut. Aber weder in der digitalen Gewerbezone noch in der analogen Wirtschaft ist size does matter ein Grundgesetz. Zwar sind und bleiben die wertvollsten Marken der Welt die Großen (Apple vor Google und Coca Cola, Global Brands Report 2013), und auch die begehrtesten Arbeitgeber sind in der Regel Groß-Konzerne (mit starker Employer Brand, diversifizierter Unternehmenskultur usf.). Doch unter den Top 100 „Beste Arbeitgeber 2013“ rangieren in Deutschland und auch anderswo bereits immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen, die mit einer mitarbeiterorientierten Arbeitsplatzkultur Talente anziehen und binden. Small is beautiful.
Den Kleinen, den Klein- und Mittelbetrieben, gehört die Sympathie des Publikums. Besonders wenn es gegen die Großen geht. So wie neulich, als das Bonner Café Apfelkind einen zweijährigen (absurden) Markenstreit gegen den Technologiekonzern Apple gewann, der sich durch das Logo des harmlosen Familien-Cafes – Kinderprofil in rotem, stilisierten Apfel – offensichtlich bedroht fühlte. Die siegreiche Cafetière darf nun nach Ausgang des Rechtsstreits ihr Logo behalten – jetzt will sie von ihrer medial wachsenden Bekanntheit profitieren und ihre Marke ausdehnen auf Kindermode.
Ja, so hat man sie gern, die Kleinen. Kein Mythos ist so stark wie jener von David gegen Goliath. Der Einzelhandel gegen die Filialisten, der Möbeltischler gegen die Einrichtungshäuser, der Frozen Joghurt-Mann gegen die Fast-Food-Ketten, die Garagen-Klitsche gegen den Dinosaurier aus dem Valley.
Es sind die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU’s), die (nicht nur) die österreichische Wirtschaft dominieren – sie machen 99,7 Prozent der Betriebe aus und sorgen für 60 Prozent an Umsatz und Beschäftigung (Mittelstandsbericht 2012, bmwfj). Freilich ein sehr buntes, inhomogenes Biotop. Zu den KMU’s gehören ja nicht nur coole Start-ups, kreative Dienstleister oder mittelständische Weltmarktführer (Hidden Champions), sondern auch der Installateur ums Eck und der verstaubte Kiosk am Platz. Zwar sind kleine Füchse per se wendiger als die großen Elefanten, dennoch mangelt es vielen kleinen Gewerbetreibenden an strategischer Anpassungsfähigkeit – sie reagieren auf Veränderungen leider oft sehr spät und stoßen viel zu selten selbst neue Geschäftsmodelle an.
„Einer gegen Alle“ ist nicht mehr – der Mythos David gegen Goliath muss umgeschrieben werden. In unserer Netzwerk-Ökonomie sind KMU’s und (die künftig stark wachsenden) Mikro-Unternehmen mehr denn je auf strategische Kooperationen angewiesen. Die Märkte haben eine derart hohe Komplexität erreicht, dass Unternehmen diese nur gemeinsam reduzieren können. In strategischen Netzwerken rund um ein Profilthema (Cluster) entstehen – im Zusammenwirken von Industrie, Zulieferern, Dienstleistungsfirmen und Forschungseinrichtungen – Innovationen und damit Wertschöpfung. Das Ökosystem von morgen erfordert Crowd-Performance. Die Großen sind der Motor, die Kleinen steuern die Innovation bei – z.B. in der App Economy rund um die großen Smartphone-Hersteller.
Alles fängt einmal klein an. Und wächst mit dem Willen, die Welt nach seiner Vorstellung zu gestalten. So schiebt denn auch die junge Generation Y mit ihrem Leitwert der Selbstverwirklichung eine neue Gründerzeit an – in der digitalen Start-up-Szene manifestiert sich diese gerade, in Berlin deutlich und langsam auch in Wien, trotz schütterem Risikokapital.
Das ökonomische Gewebe verändert sich jedoch, wird durchlässiger und interaktiver – Kunden, Partner etc. werden stärker in Geschäftsprozesse integriert. Produktentwicklung erfolgt immer öfter in Wertschöpfungsnetzen. Unternehmen zapfen die Kreativität ihrer Kunden auf partizipativen Plattformen an, um gemeinsam neue Produkte zu entwickeln. Open innovation ist kein Placebo, sondern die DNA der Netzwerk-Ökonomie. Auch die Finanzierungsmodelle werden zunehmend gemeinschaftlich – Crowd Funding à la Kickstarter und Co. ergänzt die immer schwierigere Kreditvergabe der Banken an junge Unternehmen und ist – angesichts des geringen Eigenkapitals der KMU’s (in Österreich 29,9 Prozent im Durchschnitt) – vor allem für Start-ups mit ertragsversprechenden Businessplänen interessant.
Jedes kleine Wesen braucht Engel und Flügel um abzuheben, für Jungunternehmer heißt das: markante Stärkung der Gründerszene (Venture Capital, Mentoring und Vernetzung, Bewußtsein bei Wirtschaftspolitikern stärken, fördernde Rahmenbedingungen etc.). Oder wie der britische First Husband Prinz Philip einmal sagte: „Innovation hängt ab von Erfindung und Erfinder sollten wie die Popstars der Industrie behandelt werden“.
Obiger Text beruht auf einem Beitrag von Andreas Reiter über die Herausforderungen von KMU’s für die Festschrift 2013 des „Bank Austria Kreditvereins“:
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