Intelligente Mobilität ist ein zentraler Wettbewerbs-Faktor einer nomadischen Gesellschaft. Menschen und Waren müssen effizient (also möglichst ohne Stau), smart (ohne Reibungsverlust im Mobilitätsnetzwerk und on demand) sowie Ressourcen schonend bewegt werden.
Im Tourismus freilich wird Mobilität noch viel zu selten als Profilierungsthema gesehen. Dabei gehört Mobilität zu den 3 A’s, den Basisfaktoren touristischen Erfolgs von Destinationen: Attraktionen, Amenities, Access (Zugang).
Angesichts des verschärften Wettbewerbs in den Alpen läuft die Differenzierung einer Destination künftig auch über ihre Themenführerschaft im Bereich Mobilität. Mit der üblichen Produkt-Semantik (Themengondeln, E-Bikes, MB-Trails etc.) kommt man dabei jedoch nicht weiter, schon gar nicht mit (verzichtbaren) Gimmicks wie z.B. der „BMW-Gondel“ (Gondel als schwebende 7er Limousine) im Hochzillertal.
Innovative Mobilität muss dem Systemwandel in Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung tragen:
- Digital Lifestyle: Die digitale Netzwerkgesellschaft hat eine andere Rhythmik, der Kunde will Informationen und Produkte jetzt und sofort zur Verfügung haben – on demand. Wenn die Gesellschaft eine andere Taktung hat, wenn Konsumenten zunehmend situativ agieren und je nach Bedarf die Verkehrsträger wechseln, dann
braucht es eine andere Taktik: Nutzung von Mobilität statt Besitz (Sharing-Modelle).
- Energiewende: Anpassungs-Strategien an Klimawandel und Ressourcen-Knappheit bringen nachhaltige Produkte hervor, die den Werten konsumistischer Leitmilieus entsprichen: Green Lifestyle. Dieser minimiert den ökologischen Fußabdruck ebenso wie er die moralische Bilanz von Unternehmen und Kunden erhöht (Green Deal).
- Lebensqualität: Das Betriebssystem der Marktwirtschaft wird angesichts der Identitäts- und Strukturkrise der Gesellschaft neu konfiguriert. Die neuen Passwörter heißen: wertorientierte Innovation, nachhaltiges Wirtschaften sowie Lebensqualität. Diese bedeutet nicht Verzicht, sondern intelligenten Konsum, z.B. die Fokussierung auf regionale Kreislaufwirtschaft.
Ausgangsthesen:
– Ökologische Exzellenz in Alpenregionen ist ein klarer Differenzierungsfaktor von morgen – Natur- und Lebensräume müssen intakt sein und authentische Act Good / Feel-Good-Erlebnisse hervorrufen.
– Strategische Netzwerke zwischen Tourismus und anderen Branchen sind unabdingbar, um Kundenbedürfnisse von morgen mit (mobilen) Innovationen abzudecken.
– Nicht die ländlichen Regionen sind ökologische Vorreiter, sondern paradoxerweise die verdichteten Städte. Städte sind die ökologischen Hot Spots von morgen, ländliche Regionen müssen ihre ökologische Innovationskraft umso stärker aktivieren. Die Auswirkung für Tourismus-Region: Der Gast misst den ökologischen Standard vor Ort an seinem gewohnten Heimat-Standard.
→ Rethink Spaces: Damit alpine Mobilität Impulsgeber für regionale und touristische Produkt-Entwicklung sein kann, müssen Räume neu gedacht werden (à la“Tirol City“ – das Inntal als städtische Agglomeration) – in Großstädten führt dies bereits zu erfrischend smarten Mobilitätslösungen, siehe die urbanen Seilbahnen von Doppelmayr in London, Caracas etc. Räume neu denken bedeutet auch: touristische Mobilitätsketten übergreifend konzipieren, z.B. mit touristischen Packages wie der Alpensafari mit der Bahn (Schweiz), wo man – wie bei einer Kreuzfahrt – von Venedig bis St. Moritz mit der Bahn fährt und in den Orten „an Land“ geht. Oder Südtirol: mit seinem intelligent durchorganisierten Radwegenetz rund um die Bahnstationen (Kombiticket für die Nutzung von Bus, (Seil-)Bahn und Leihfahrrad) ist es ein Highlight für Genussradler.
→ Der Weg ist das Ziel: Einer hypermobilen Gesellschaft sind die Bespielung der Wegzeit und infrastrukturelle Service-Exzellenz im ÖPNV oft wichtiger als das Ziel. Die emotionale Aufladung der Transiträume (Airports, Bahnhöfe, Haltestationen) ist daher ein Marken-Gebot der Stunde. Haltestellen als Schnittpunkte von Verkehrsmitteln sind (Marken-)Kontaktpunkte, die die lokale Identität bestenfalls konsistent übersetzen (Barcelona mit seinen Metro-Stationen ist hier ein First Mover, aber auch Innsbruck mit seinen Designer-Stationen von Zaha Hadid auf die Hungerburg). An den Knotenpunkten der nomadischen Gesellschaft herrscht die höchste Aufmerksamkeitsdichte. Ikonografische Attraktionen (z.B. die neuen sensationellen Bushaltestationen im Bregenzerwald („Bushüsle“), die Airport-Metro in Zürich usf.) unterstreichen die Kern-Kompetenz der Region.
Ressourcenschonende Mobilität dient – auch im Alpenraum – der Marken-Profilierung. Vorreiter sind hier die Alpine Pearls – eine transnationale Dachmarke von 28 Alpen-Destinationen, die sich der „sanften Mobilität“ verschrieben haben. Innovative Mobilitätsmittel – im Spannungsfeld zwischen Zweck- und Spaß-Mobilität – bieten den Gästen vor Ort einen starken öko-emotionalen Erlebnisgewinn („Live green and have fun“, A. Schwarzenegger). Alpine Pearls sind eine glaubwürdige und klug aufgebaute alpine Marke – mit Wachstumspotenzial, wenn die Orte ihre ökologische Themenführerschaft über den Mobilitätssektor hinaus stärker ausdehnen auf die Verdichtung lokaler Wertschöpfungsketten – Lebensqualität bedeutet ja die Verschränkung von ökologischem, ökonomischem und sozialem Wohlstand.
Alpine Destinationen werden sich künftig viel mehr als bisher über ihre ökologische Exzellenz matchen. Tirol, der stärkste alpine Spieler, hat noch großen Aufholbedarf im Bereich ökologischer Produktkultur. Vielfach liegen Mitbewerber voran, etwa die Schweiz – in energieeffizienter Architektur wie z.B. der Almhütte Monte Rosa, in der Mobilität (Bahn-Infrastruktur generell, Erlebnis-Inszenierungen à la Glacier Express, Cabrio-Seilbahn in Luzern usf.) oder Vorarlberg mit z.B. dem Bregenzerwald (Baukultur, Manufaktur etc.). Mobile Innovation entsteht in Netzwerken (Crowd Performance), die traditionellen Partnerschaften alpiner Top-Destinationen mit Premium-Automarken (BMW i3) und Outdoor-Firmen bieten hier interessante Spielflächen für die Zukunft.
Tirol muss seine alpine Kompetenz ökologisch stringent übersetzen und mit innovativen ganzheitlichen Mobilitätslösungen am Berg (Seilbahnstation, Seilbahn, Piste etc.) seine Markenführerschaft halten. Vom Marktführer kann, ja muss man dies erwarten. Innovation follows Brand. Mobilität hat schließlich auch eine ikonografische Power – so ist z.B. die entspannte Fahrrad-Kultur in Kopenhagen ein idealer Marken-Botschafter der skandinavischen Green City, in der jeder zweite Bewohner mit dem Rad fährt.
Fazit: Nur wer sich in die richtige Richtung mit dem (jeweils) richtigen Verkehrsmittel bewegt, gewinnt.
Best Practise: http://www.alpine-pearls.com http://www.suedtirol-rad.com
Andreas Reiter hielt vor kurzem einen Impulsvortrag über innovative Mobilität in den Alpen bei der Tagung „Tourism meets Industry“ in Seefeld, Tirol
Andreas Reiter im Interview (Video): http://vimeo.com/76680200
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