So viel Unsicherheit war selten. Die Märkte sind nervös, das Wachstum in Europa mehr als fragil (anders als in den USA oder in Asien), systemische Risiken nehmen zu, vom angeschlagenen Russland über anwachsende Flüchtlingsströme bis hin zu gravierenden interkulturellen Konflikten. Keine Frage, Europa ist im institutionalisierten Krisenmodus.

Aus der Risikoforschung wissen wir, dass Menschen Unsicherheiten bedrohlicher finden als eine konkrete Gefahr (der sie ja aktiv begegnen können). Das Streben nach (ökonomischer und sozialer) Sicherheit ist somit eines der großen Leitthemen für die nächsten Jahre. Je mehr tradierte Sicherheiten wegbrechen und Optionen aufpoppen, je mehr wir unsere Komfortzonen verlassen müssen, desto stärker wird die Sehnsucht des Einzelnen nach Haltegriffen. Es ist kein Zufall (und keinesfalls nur ökonomisch zu erklären), dass in Österreich aktuell 22,6 Prozent der 25-34-Jährigen im Hotel Mama wohnen.

01Die Jungen, beruflich an Provisorien und prekäre Praktika gewöhnt, sind Synonym für eine Gesellschaft im Übergang: zaghaft tastet sich diese voran, sammelt nur langsam Kraft für (dringend notwendige) radikale strukturelle Veränderungen. Zur Sicherheit bleibt man aber lieber bei inkrementellen Verbesserungen und – im wahrsten Sinn – beim Alten. Retro. Regional. Reduktion. Man greift zu Marken, die Orientierung versprechen, zu regionalen Produkten, die Komplexität reduzieren und vor globalen Umbrüchen schützen sollen. Slow Living als Fluchthelfer aus der digitalen Moderne.

Die Frage nach dem guten Leben steht bei den Millenials im Vordergrund. Ihr Herz gewinnen Unternehmen, die für das Common Good stehen und bewirken, dass sich der Konsument nicht mehr als Benutzeroberfläche und zweibeiniges Big Data-Tool fühlt.  Gefragt sind auch Anbieter von Erlebnissen, die dem Einzelnen Distinktion ermöglichen und somit das eigene Ich (über das Selfie hinaus) stärken.

Und wo bleibt die echte Innovation? Die radikale Neuerung? Auf diese werden wir noch warten und bis dahin im veganen Fitnessstudio eine Runde drehen müssen. Der disruptive Wandel (Internet der Dinge wie 3D-Drucker, selbstfahrende Autos, Industrie 4.0 usf.) nimmt jedoch langsam aber sicher an Fahrt auf. In einer Zeit, in der das Ende der Massenproduktion eingeläutet wird, in der Produktion und Dienstleistungen immer stärker dezentralisiert und in die Hände des Kunden gelegt werden, müssen Unternehmen agiler und resilienter werden.

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Die Widerstandskraft eines Systems wächst mit dessen Kleinteiligkeit. Kleine Organisationen können Komplexität leichter reduzieren und den Veränderungen effizient pro aktiv begegnen – wenn sie nicht abgekapselt, sondern als Teil eines größeren Systems agieren. Das Small is beautiful-Paradigma bedient nicht nur den uralten Mythos David gegen Goliath. Kleine strategische Einheiten sind robuster gegenüber Krisen und navigieren smarter durch die Zeit der großen Transformation.

Scan0019Dieser Beitrag beruht auf einem Kommentar von Andreas Reiter für das Wirtschaftsmagazin Report (01/2015)

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