Wir leben in einer Zeit der Umbrüche. Disruptive Technologien, hybride Märkte und vernetzte Konsumenten bilden ein dynamisches Ökosystem. Unternehmen haben es dabei auch mit einem neuen – für sie oft befremdlichen – „Betriebssystem“ zu tun: der Schwarm-Intelligenz der Generation Y.
Wie tickt diese Generation der zwischen 1980-1997 Geborenen, die weltweit in wenigen Jahren über die Hälfte der Arbeitnehmer stellt, wie lebt und wie arbeitet sie? Bei aller Inhomogenität, die es innerhalb dieser Generation gibt, lassen sich einige verbindliche Grundwerte heraus destillieren, ein generatives Mindset:
Soziale Intelligenz: Die Millennials sind digitale Sozialisten, sie teilen: Information, Erfahrungen, Produkte. Sie gehen pragmatisch mit Besitz um, nutzen häufig (nicht nur digitalisierte) Produkte anstatt sie besitzen zu wollen (Sharing Economy). Sie sind mobil vernetzt – 27 Prozent der Österreicher bis 29 Jahre sind ständig online (Quelle: Telekom Austria 2014).
Die Wissensarbeiter unter ihnen arbeiten mobil, flexible Arbeitszeiten und -Orte sind für sie ein Zeichen für Lebensqualität. Zum Austausch treffen sie sich in ihren digitalen Oasen wie Whats App, Twitter, Instragram etc., die sie auch für ihre Selbst-Inszenierung nutzen (der Selfie-Stick ist der Zauberstab einer nach sozialem Feedback hungernden Generation). Die Mehrheit arbeitet noch an fixen Arbeitsplätzen, die wachsende Zahl der projektorientierten Agenten trifft sich jedoch in Co-Working-Spaces, Cloud-Worker verdingen sich auf Online-Plattformen wie Clickworker.
Die Millennials bevorzugen kooperative Organisationskulturen und flache Hierarchen, sie gehen davon aus, dass sich Wissen durch Teilen vermehrt. Kollaboration (vertikale wie horizontale) ist für sie eine Kulturtechnik auf dem Weg in eine immer komplexere Zukunft. Die eigene Peer-Gruppe fungiert dabei als Kurator und Filter von Informationen und Erfahrungen. In Zeiten der totalen Interkonnektivität fließen Informationen nicht mehr von oben nach unten, sondern zirkulär. Jeder ist Sender wie Empfänger, Netze organisieren sich selbst. Zentrum und Peripherie verschwimmen: bei den Zürcher Verkehrsbetrieben etwa bewerben sich die Chefs (mit Videoclip) bei ihren künftigen Mitarbeitern. Man mag das als Recruiting-Aktionismus abtun, aber es trifft den interaktiven Geist der Digital Natives.
Die Millennials (meist gut ausgebildet) mussten sich ihre Biografie von der Volksschule an in einem extrem wettbewerbsorientierten Umfeld selbst basteln – sie sind daher selbstorganisiert und treiben das Thema Intrapreneurship in den Unternehmen voran. Mehr Freiheit geht einher mit mehr Verantwortung. Ihre innere Unabhängigkeit ziehen sie nicht nur aus dem Wissen um ihre künftige demografische Alleinstellung (mehr Alte, weniger Junge), sondern auch aus dem Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Sie wissen, dass fast jede Branche automatisiert und durch Robots substituiert werden kann: Medien, Banken, Dienstleister, das Internet der Dinge schafft selbst Jobs von Hochqualifizierten ab (Rechtssoftware so manchen Juristen)… Das macht sie zu Selbst-Unternehmern in eigener Sache.
Work-Life-Blending: Die Millennials verbinden Arbeit und Privatleben auf selbstverständliche Weise (und nicht durch Management oder Gewerkschaften verordnete Work-Life-Balance). Arbeitsorte und Arbeitszeiten sind nicht mehr klar definiert – der Mobile Worker arbeitet von überall her, die Cloud ist ubiquitär, die Arbeit geht fließend über ins Privatleben. Unternehmen, die orts- und zeitunabhängiges Arbeiten und damit eine bessere Fokussierung auf das jeweils Wichtigste ermöglichen, können auf höhere Loyalität zählen.
Dem starken Leistungsdruck, dem die Millennials von Anfang an ausgesetzt waren, setzen sie das Ideal eines ausbalancierten Lebens entgegen (Arbeit und Familie, Karriere und Freizeit), sie werden dabei von „traditionellen“ Werten geleitet. Sicherheit ist den jungen Millennials wichtig – der Öffentliche Dienst (geregelte Arbeitszeiten), Wissenschaft und Kultur liegen nicht zufällig im Ranking der attraktivsten Branchen bei deutschen Studenten voran (Quelle: Ernst und Young). Die Millennial-Variante der Sicherheit heißt Flexicurity.
Die Digital Natives bewegen sich selbstverständlich 24 Stunden in der digitalen Welt. Als Agenten des Wandels treiben sie die digitale Ökonomie (disruptive Geschäftsmodelle, smart und mobil) voran. Das hindert sie keineswegs daran, Slow-Kulturen in ihrem Alltag zu integrieren und starke Sympathie für beständige Kulturtechniken wie Manufaktur, Handwerk, gesunden Genuss (Slow Food, vegan etc.) zu entwickeln.
Werte wie Selbstverwirklichung, Suche nach Sinn etc. sind starke Leitmotive gerade auch am Arbeitsplatz. Der emotionale Trigger „Sinnsuche“ gilt laut Jugendforscher Klaus Hurrelmann für jeden Zweiten unter den jungen Arbeitnehmern. Sinnstiftende Arbeit ja, aber am Wochenende will man seine Ruhe haben. Unter den Millennials ist die Zahl intrinsisch motivierter Arbeitnehmer signifikant höher – traditionelle Incentives wie Gehaltserhöhung etc. sind nicht mehr in dem Maße wirkungsvoll (Arbeit hat für die Millennials weniger mit Status zu tun als mit persönlicher Entfaltung und Integrität). Arbeitszeit ist schließlich Lebenszeit. Arbeit wird daher in verschiedenen Lebenszyklen anders definiert, das Konzept der (lebenslangen) Vollbeschäftigung hat sich überlebt, Arbeitsphasen wechseln mit Auszeiten, mit Wiedereinstieg, prekäre Phasen mit Weiterbildung, Semi-Entrepreneurship usf…
„Unsere Karrieren gleiten in Wellen dahin: Auf Phasen, in denen wir uns voll auf den Beruf konzentrieren, folgen Phasen, in denen wir andere Schwerpunkte setzen. Manchmal fahren wir auch weg, sehr weit weg…“ (Quelle: Kerstin Bund (2014), Glück schlägt Geld)
Gerade weil die eigene Biografie derart volatil und unsicher ist, steht für die Millennials die Frage nach Stabilität und nach dem guten Leben im Vordergrund. Unternehmen, die für das Common Good stehen und gesellschaftlich verantwortlich handeln, werden bevorzugt. Generell ist Achtsamkeit – sich selbst und der Welt gegenüber – ein hoher Wert.
Dieser Text ist die Zusammenfassung eines Vortrags, den Andreas Reiter beim Industrieforum Niederösterreich der Industriellenvereinigung hielt. http://www.iv-net.at/lg/noe/b682
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