Österreich ist zweifellos ein erfolgreiches Land mit hoher Lebensqualität, aber es fällt seit einigen Jahren in wichtigen Wirtschafts-Rankings (Innovation, Wettbewerbsfähigkeit etc.) zurück (Mitte der Nullerjahre war das noch anders, da war der Standort Österreich eine Benchmark).
Das Image Österreichs ist bei seinen unmittelbaren Nachbarstaaten zwar gut, aber insgesamt nicht berauschend, wie der Nation Brands Index von Anholt-GfK Roper belegt, das Land wird zudem – aus externer Sicht – vorwiegend mit „weichen“ Assets wie etwa Kultur besetzt. Wobei Soft Power aber durchaus das Image eines Landes im Kern ausmachen kann, das zeigen etwa die skandinavischen Länder, die im alljährlichen (methodisch ausgezeichneten) Country Brand-Index von Future Brand im Spitzenfeld liegen. Österreich grundelt in diesem Image-Ranking aktuell auf Platz 17 – vor den Niederlanden, aber hinter den Malediven…
Soweit, so schlecht. Ein Land steht ja massiv im internationalen Standort-Wettbewerb um Talente, Investoren und Touristen. Vor dem Hintergrund eines (besonders bei Jungen) schwachen Images Österreichs beschloss der Ministerrat vor kurzem das Projekt Nation Brand Austria. Abgesegnet wurde da die Marke für den Standort Österreich, entwickelt von Simon Anholt, dessen Modell der Competitive Identity ich – auch seiner praktischen Anwendbarkeit wegen – generell sehr schätze.
„Als eine der stabileren, gleichberechtigteren, friedlicheren, blühenderen Gesellschaften dieses Planeten sollte Österreich, anstatt sich zu fragen, wie es jener kleinen Zahl von Ländern folgen könnte, die in den diversen Wohlstandindices über ihm stehen, darüber nachdenken, wie es einigen jener Vielzahl von Ländern, die unter ihm stehen, den Weg weisen könnte.“ (Simon Anholt im Abschlussbericht „Kompetitive Identität Österreichs“ (5/2013).
Was Anholt aber nun für die Marke Österreich als Kernstrategie entwickelt hat, halte ich für schwachbrüstig: Österreich, so die mit heimischen Stakeholdern erarbeitete Markenbotschaft, soll künftig „Brückenbauer für die Welt“ sein. Klingt nach Sozialpartnerschaft. Bringt gar nix. Eine Retro-Essenz.
Dieser Markenkern dockt an die historisch längst überholte Zentrumsfunktion Österreichs im Habsburgerreich an und soll die „Brückenfunktion zwischen etablierten und sich entwickelnden Märkten“ betonen (Südosteuropa, Zentralasien, Nordafrika etc.). Diese Rolle spielt Österreich als kleines Land aber längst nicht mehr (allenfalls in südosteuropäischen Nachbarstaaten, für die Wien so etwas wie der Hub nach Europa ist).
Der als Markenkern formulierten „Brückenfunktion“ wird Österreich realpolitisch schon heute nicht gerecht, hier nur zwei Gegenbeispiele:
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- Der peinliche Abzug der österreichischen UN-Truppen vor kurzem aus den Golanhöhlen (als es brenzlig wurde). Dieser Abzug verwunderte die internationale Gemeinschaft und die politischen Partner in Europa. (Karl Schwarzenberg, tschechischer Ex-Außenminister: „EU-Kollegen… fragten mich, warum die Österreicher gleich vor dem ersten Schuss davonlaufen“, profil 34/2013).
- Die visionslose Integrations-Politik: kein anderes Top-Wirtschaftsland hat eine derart defensive Migrationspolitik, die Rot-Weiß-Rot-Karte (lange hat sie gebraucht, immerhin ein erster Ansatz) wird schon wieder reformiert (z.B. werden künftig endlich auch ausländische Bachelor-Absolventen zugelassen). Österreich pflegt weder eine intelligente, zukunftssichernde Einwanderung (skilled migration) oder ist attraktiv für ausländische Talente noch ist es bekannt für eine humane Asylpolitik. Rote Karte auch hier – soweit zum „Land der Brückenbauer“.
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Nation Branding (der Begriff ist ohnehin überholt, nur heimische Politiker finden ihn cool) ist eine hoch komplexe Angelegenheit, eine starke Standort-Marke in der Tat ein wichtiges Kommunikations-Instrument – und der Hebel zur Entwicklung/Schärfung von Profilthemen. Ein Image, das nur auf Kultur und touristischer Attraktivität aufbaut, ist langfristig zu wenig. Man muss nur nach Griechenland schauen – Olivenöl und Hotelbetten reichen nicht zur Wohlstandssicherung.
Nicht die Identität Österreichs steht zur Entwicklung, so mein Ansatz, sondern seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Profilierung. Österreich muss seine weichen Qualitäten (Kreativität, ökologische Kompetenz) mit seiner wirtschaftlichen Power viel besser verzahnen und Erstere stärker als bisher in innovative, wettbewerbsfähige Export-Marken übersetzen.
In Österreich fehlen, im Vergleich etwa zur Schweiz (die uns Image-mässig mit ihrer Swissness um Gipfel überragt), starke internationale Brands. Es fehlt, im Vergleich zu Deutschland (insbesondere Baden-Württemberg) eine kritische Masse an hidden champions, an mittelständischen Weltmarktführern (Motto: „Wir können alles, außer Hochdeutsch“). Es fehlt, im Vergleich zu Skandinavien, eine innovative Gesellschaftspolitik, soziale Themenführerschaft. Undsofort.
Bevor es so etwas wie eine Nation Brand entwickelt, muss Österreich in den zukunftsträchtigen Profilthemen – Clean Technology, IT, Kreativwirtschaft, genussreiche Lebensqualität – Themenführerschaft herausbilden und dort mehr schlagkräftige Markenprodukte als bisher auf die Märkte bringen (das erfordert eine viel offensivere Start-up-Kultur) bzw. auch die bestehenden stärker als genuin österreichisch kommunizieren. Mit Red Bull verbindet kein ausländischer Konsument Österreich, und wer weiß schon, dass die weltweit erfolgreiche App „Runtastic“ aus Oberösterreich kommt? Es gibt schließlich auch in der heimischen Industrie Weltmarktführer, von Doppelmayr (Seilbahn) bis zu Lenzing (Man-made Cellulosefasern) – diese sind freilich außerhalb ihrer Branche viel zu wenig bekannt. Eine bemerkenswerte Initiative der Industrie – „21st Austria“ – forciert nun, quasi parallel zum Nation Branding-Projekt des Wirtschaftsministeriums, gerade diese notwendige Image-Kommunikation.
Anholts Marken-Entwicklung für Österreich ist operativ sauber aufgesetzt (Nation Brand Agency, symbolische Leitprojekte usf.), wobei aber einige der definierten Pilotprojekte wie AustriaCard (Schlüsselarbeitskräfte sammeln Bonuspunkte) oder Gebäudepartnerschaften (historische Gebäude werden mit Denkmälern in Schwellenländern „verpartnert“) von fragwürdiger Relevanz sind.
Aber entscheidend: die entwickelte Marken-Essenz für Österreich („Land der Brückenbauer“) ist nicht kompatibel mit der aktuellen (geo-)politischen Performance des Landes. Sie ist also Retro. Und führt damit einige Jahre an der Zukunft vorbei – in die Vergangenheit.
Zukunft braucht bekanntlich Herkunft. Im Falle Österreichs aber wohl dosiert. Hugo von Hofmannsthal lieferte 1917 in „Der Preuße und der Österreicher“ die Steilvorlage für Marken-Kern und Identität des Landes, die auch heute noch gültig ist. Der Österreicher zeichne sich aus durch:
„Traditionelle Gesinnung, stabil fast durch Jahrhunderte. Rascher in der Auffassung. Mehr Balance. Mehr Fähigkeit, sich im Dasein zurechtzufinden. Selbstironie. Scheinbar unmündig. Bleibt lieber im Unklaren. Weicht den Krisen aus. Hineindenken in andere bis zur Charakterlosigkeit. Schauspielerei. Genusssucht. Ironie bis zur Auflösung.“
Andreas Reiter im Interview mit der Tiroler Tageszeitung:
Links zum Thema:
http://www.bmwfj.gv.at/Aussenwirtschaft/nationbrandingaustria/Seiten/default.aspx
Simon Anholt, der engagierte Politikberater u. Erfinder der Competitive Strategy, liefert in seinem Schlussbericht aber einige gute Ideen: der Strategievorschlag 1, die Positionierung Österreichs als ein Gegenpol zur anglosächsichen kapitalistischen Welt unter dem Titel „das österreichische Modell“, geht mir bereits seit einigen Monaten durch den Kopf und könnte aus meiner Sicht tatsächlich einer internationalen innovativen Vorreiterrolle dienen. Die Auswahl von Strategievorschlag 2 als „Brückenbauer für die Welt“ verwundert mich nicht, ist sie doch die am wenigsten innovative Variante und damit für die Österreicher und -rinnen ohne großen Veränderungsbedarf umzusetzen. „Modernisierung als Programm“, der 3. Strategievorschlag von Anholt, erscheint mir nach den vorangegangenen Analysen (im Bericht zu lesen) absurd. Dabei müssten sich Großteile der Bevölkerung, Politik und System um 180°Grad drehen. Vor allem aber müssten korrumpierende Machtblockaden gesprengt und die Demokratie massiv gestärkt werden.
Ich finde Ihre Interpretation interessant (und kann sie meinerseits nachvollziehen) – die „am wenigsten innovative Variante“ setzt sich bei den Politikern durch, weil mit geringem „Veränderungsbedarf „umzusetzen. Da ist durchaus etwas dran 🙂