Der alpine Skisport hat – auf den europäischen Quellmärkten – seine Wachstumsphase hinter sich. Aus dem Massensport wird künftig mehr und mehr ein exklusives Vergnügen, das sich auf wenige (Mega-) Destinationen und finanzstarke Corporate Destinations konzentriert.
Ein Segment im alpinen Wintersport aber wächst in aller Stille und vor allem bei den Jungen – der Skitourenlauf abseits der Piste. 500.000 Österreicher und rund 300.000 Deutsche sind Tourengeher, ziehen ihre eigene Spur durch den Tiefschnee. Und es werden (unaufhaltsam) mehr.
Die nachhaltige Attraktivität des Skiwanderns beruht auf
- der zunehmenden Individualisierung der Gäste und ihrem Drang nach Distinktion (neben den Freeridern betrifft dies eben auch die Tourengeher)
- einer starken Sehnsucht (vor allem der Städter) nach kraftvollem und unverfälschtem Natur-Erlebnis
- dem Glücksversprechen, dem Tourengeher magische Erfahrungen auf tiefverschneiten Hängen zu schenken.
Ich sehe im Skitourenlauf – motivpsychologisch – starke Parallelen zum Wandern (https://blog-ztb-zukunft.com/2016/06/12/walk-dont-run/). Hier wie dort geht es – metaphorisch – um den Weg zu sich selbst: um das Gehen als innere (Such-)Bewegung. Wie beim Wandern dient die Natur als „Freiraum, in dem der Mensch nicht nach außen mit anderen, sondern nach innen mit sich selbst kommuniziert“ (Ulrike Zöllner). Indem man sich in den Rhythmus der Natur einklinkt, findet man (hoffentlich) seinen eigenen. Der Weg entsteht im Gehen. Einfach. By fair means. Weg vom High Tech hin zu Slow Motion.
Beim Skitourenlauf kommt aber noch ein entscheidender Trigger dazu: der Weg nach oben muss (hart) erkämpft werden. Während die Masse der Skifahrer in der beheizten Gondel bequem zum Gipfel gehievt wird, stapfen die Skitouristen mühsam durch den Schnee nach oben (von denen, die am Rand der Piste hoch laufen, mal abgesehen). Das Narrativ dabei: es geht (ziemlich lange) aufwärts, der grandiose Blick von oben, Weite und Freiheitsgefühle, all die Magic Moments lohnen jede Mühe, wie im richtigen Leben. Ein natürlicher Parcours (eben mehr als rauf/runter), wie ihn kein Pisten-Designer hinkriegen würde.
Ganz oben auf der Motive-Skala für Skitourengeher steht das aktive Natur-Erlebnis. Das Natur-Schöne ist ja generell eine Sehnsuchtsfolie für Gäste aus dem städtischen Raum (und das ist die Mehrheit). Raus aus den nebeligen Depressionszonen der Großstädte und hinein in den Winterzauber und die alpine Winterwelt: Schnee, wohin man schaut, unberührte Hänge, in der Sonne glitzernde Schneekristalle. Meme wie diese sind tief eingespeichert ins Gedächtnis der Wintersportler – dieses Versprechen gilt es zu halten durch eine Balance zwischen Naturerlebnis und Naturschutz.
Beim Skiwandern geht es aber nicht nur darum, sich gleitend die Natur untertan zu machen und im Flow seine Spuren durch den Tiefschnee zu ziehen. Der postmoderne Freizeit-Sportler will auch hier seine Grenzen ausloten, kompetitive Formate wie etwa die Ramskull Trophy, der sensationelle Hardcore-Wettlauf im Montafon, die Hochkönig Erztrophy oder die brutale Mountain Attack in Saalbach sind starke Adrenalin-Pumpen. Freizeit spiegelt immer die gesellschaftliche Betriebstemperatur wider.
Wenn in der Gesellschaft wettbewerbsorientierte Werte wie höher-schneller-weiter angesagt sind, dann überträgt sich das unmittelbar in Angebote der Freizeit-Wirtschaft. Auch und selbst bei einem Wintersport wie dem Skiwandern, das eigentlich das Image eines Slow Sports hat. Performance ist aber auch hier ein Leitwert – go vertical, überwinde dich selbst und die anderen.
Dieser Beitrag beruht auf einem Vortrag, den Andreas Reiter vor kurzem bei einem Symposium im Montafon rund um die Ramskull Trophy gehalten hat.
Aktuelle, spannende TV-Doku (Servus TV) vom Februar 2018 mit u.a. Andreas Reiter, hier der Trailer: https://www.addendum.org/ski/wintertourismus/
Zur Zukunft des alpinen Wintersports sprach Andreas Reiter im Januar 2017 im TV- „Talk im Hangar 7“ (rechtes Foto: Credit Servus TV): https://www.youtube.com/watch?v=GdyI4LH4Rzk
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