Die globalen Turbulenzen und die wachsende geo- und finanzpolitische Volatilität in Europa lenken den Blick vom Großen immer wieder ins Kleine. In diesen Umbruchzeiten sehnen sich die Menschen mehr denn je nach starker lokaler Verankerung und regionaler Identität.
Ihre emotionale Bindung finden die Menschen weniger über die Identifikation mit einem nationalstaatlichen Konstrukt (ob Österreich oder Europa) als in kleineren überschaubaren Einheiten: in ihrer Region, in ihrer Gemeinde. Immerhin lebt – noch – die Hälfte der Österreicher in ländlichen Gemeinden. Zwar ist der ländliche Raum von Abwanderung und Alterung stark bedroht, vor allem periphere Gebiete verlieren in den nächsten Jahrzehnten drastisch an Einwohnern. Dafür aber gewinnen besonders Umlandgemeinden, also Kommunen im Einzugsbereich städtischer Ballungsgebiete, stark an Attraktivität.
Die Globalisierung hat in den letzten Jahren allerorts einen Schub an ländlichen Rückzugs-Phantasien verstärkt und das Leben in kleinen, überschaubaren Räumen (small is beautiful) attraktiv gemacht. Die neue Regionalität – von Kritikern gerne als Bionade-Biedermeier belächelt – wird somit zu einem Gegenentwurf, der Moderne und Tradition, urbanen Lifestyle und ländliche Entschleunigung vereint. Magazine wie Landlust boomen im deutschsprachigen Raum, vor kurzem ist sogar der Lifestyle-Konzern Red Bull mit „Servus in Stadt & Land“ in den Sehnsuchtsmarkt nach ländlicher Idylle eingestiegen.
Regionale Produkte erleben seit Jahren eine Renaissance, von cool designten Holzmöbeln über Großmutters Rezepte, vom Haubenkoch neu übersetzt, bis zu Dirndl und Filzpantoffeln, die in europäischen Metropolen von urbanen Performern stolz getragen werden. Für die einen ein Marketing-Label, für die anderen ein Symbol für Bodenhaftung, wird Regionalität zur robusten Lebensphilosophie erhöht, die vor den Umbrüchen in der Welt schützen soll.
Vor allem aber reduziert Regionalität die zunehmende Komplexität einer global vernetzten Gesellschaft. Denn die große weite Welt (so sehr man auch mit ihr wirtschaftlich und über soziale Medien vernetzt ist) ist vor allem eines: zu groß, zu weit. Der Mensch ist – anthropologisch – auf kleine Gemeinschaften konditioniert, in denen er Nähe und Vertrauen aufbauen kann. Interessanterweise haben auch die Nutzer von sozialen Netzwerken wie eine überschaubare Zahl an Kontakten, im Durchschnitt stehen sie mit 133 Personen in Kontakt (Quelle: Bitkom). Nur im kleinen Kreis gelingt schließlich die soziale Kontaktpflege.
Wenn wir aus der neuen Regionalität und den Umbrüchen in Gesellschaft und Konsumwelt etwas lernen können, dann dies: das Betriebssystem der Marktwirtschaft wird neu aufgesetzt. Es geht um eine Re-Vision von Wohlstand und Lebensqualität, um die Verknüpfung von Lokalität und Globalität, also um eine neue Ökonomie der Nähe. Der Schweizer Konsumforscher David Bosshart bezeichnet die künftige Wohlstandsformel in seinem neuen Buch als „Age of Less“, less im Sinn von kleiner, überschaubarer, Ressourcen schonender und qualitativ hochwertiger. Damit lässt es sich gut leben.
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