In der schönen Oststeiermark, einer EU-Leaderregion, die wir seit zwei Jahren strategisch mit betreuen, fand vor kurzem ein hochwertiges Symposium zum Thema Zeit statt. Nicht die Aus-Zeit stand da im Fokus, sondern die Widersprüchlichkeit, die unterschiedliche Rhythmik, mit der im ländlichen Raum gelebt und gearbeitet wird.
Der Mythos sitzt fest: Der Gegensatz zwischen Stadt und Land (zwischen Be- und Entschleunigung) wird größer, aus der einen wandern die Talente ab, ins andere kommen (bestenfalls) die Gäste, die Touristen und Wochenend-Liebhaber. Die Polarität scheint klar: hier die Unruhe, dort die Ruhe, die Stadt ist am Puls der Zeit, das Land ein einziger Tranquillizer.
Der ländliche Raum verfügt scheinbar über einen hohen Zeit-Wohlstand, die Stadt hingegen ist knapp an Zeit. Nirgendwo sieht man dies so gut wie an der Marketing-Rhetorik und im Attraktions-Management: während die Stadt von starker Verdichtung lebt (maximum kicks in minimum time), wird die ländliche Region mit Slow-Life-Attributen aufgeladen: Verwöhnung, Entspannung, Genuss, Nachhaltigkeit.
Dieses romantisierende duale Denken müssen wir, ich kann nur immer wieder darauf hinweisen, über Bord werfen. Ländliche Regionen, die nicht primär (wie etwa in Tiroler Regionen) Hardcore touristisch geprägt sind, haben nur dann eine positive Zukunft, wenn sie Talente und Kreative anziehen, ein Netzwerk aufziehen zwischen Querdenkern mit unternehmerischem Spirit (wie es sie ja gerade in der Oststeiermark mit ihren exzellenten Genussmitteln zuhauf gibt). Es braucht eine kritische Masse an Produzenten, kreativem Gewerbe, smarten Dienstleistern, die sich mit den Ballungsräumen intelligent vernetzen und ihre – hochwertigen – Produkte mit kreativem Marketing über die Wahrnehmungsschwelle bringen.
Im verschärften Wettbewerb der Regionen hängt der Erfolg einer Region entscheidend von ihrer Anpassungsintelligenz an Veränderungsprozesse ab. Das Land muss kreativer werden, oder es wird zur Ruhe-Stätte. Sanfter Tourismus hat noch keine Region wiederbelebt. Herrliche, aber menschenleere Kulturlandschaften ohne Attraktionspunkte sind meist Todesstreifen der Kreativität.
Die Creative Industry muss endlich mehr in Szene gesetzt werden. Dort, wo es auch im ländlichen Raum Industriebetriebe und Unternehmen gibt, muss ein kreatives Story Telling das Image verändern. Die Botschaft sollte sein: auf dem Land kann man sich nicht nur ausruhen, geniessen und soft sports betreiben, sondern man wird auch inspiriert. Image-Kampagnen wie „Erlebniswelt Wirtschaft – made in Styria“ sind hier ein erster Schritt, ein Netzwerk von 45 steirischen Industriebetrieben, produzierenden Unternehmen, High Tech-Betrieben, Genussmittel-Produzenten etc. Transparente Betriebe („Gläserne Fabrik“) mit spannenden Inszenierungen der Produktionswelten und der Marke sollen Besucher anziehen und das Image vom verschlafenen ländlichen Raum korrigieren.
Nur über Attraktions-Faktoren wie Wissens-Cluster und Lebensqualität etc. können Qualifizierte in die Region gezogen bzw. dort auch gehalten werden. Die Interaktion der regionalen Akteure aus Wirtschaft und Politik entscheidet über die Innovationskraft einer Region. Die Qualität von Vernetzung und Beziehungen („Ökonomie der Nähe“) erhöht die Wettbewerbsfähigkeit einer Region und macht sie attraktiv für junge Talente.
Die Zukunft gehört Paradoxien: die Stadt wird grüner, das Land kreativer.
Phantasien für den ländlichen Raum gibts u.a. auch bei: www.dielandgestalter.at
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